Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Cranberrysaft wieder heraus. Über ihrer Schulter hängt eine selbstgestrickte Patchwork-Decke, die ich ihr abnehme. Wir gehen die steinernen Stufen hinab und nehmen den Weg in Richtung Damm, um den restlichen Nachmittag voll auszukosten.
Unter einer Großblättrigen Feige steht die hölzerne Pergola. Ihre feinen Bögen wirken wie das Skelett eines Regenschirms, überzogen mit Jasmin, der jedoch schon ein trauriges Ende gefunden hat. Die Ranken sind alle verdorrt und vertrocknet wie ein vergessener Brautstrauß. Die kleine Bank darunter sieht nicht besonders einladend aus, also gehen wir ein Stück weiter bis zu dem Streifen Wiese, suchen uns einen großen, flachen Stein, auf dem wir die Gläser abstellen können, breiten die Decke auf dem weichen Gras aus und lassen uns darauf nieder.
Diese Landschaft muss man einfach mögen, denke ich bei mir. Sie ist üppig, sich ihres Wertes voll bewusst und gleichgültig gegenüber dem Urteil anderer, der Himmel darüber weit und ungehemmt. Ich habe sie längst verloren geglaubt und vermisst, die freie Natur. Als Jamie und Aaron noch klein waren, habe ich die beiden ins Auto gepackt, wenn ich mal wieder das Gefühl hatte, den Fernseher allzu lang als Babysitter missbraucht zu haben. Ihr kennt sicher auch diesen bestimmten Punkt, an dem Kinder Gras riechen und sich schmutzig machen, von Ameisen gebissen werden und sich Dreck ins Gesicht schmieren müssen. Zusammengerechnet habe ich wahrscheinlich mehrere Monate meines Lebens damit verbracht, Schaukeln anzuschubsen oder die beiden auf die Seilrutsche zu heben.
Früher habe ich Parks gehasst. Denn während das Wort »Park« einem ein wunderbares Gefühl vermittelt (von idyllischer, vollkommener Ruhe ohne jede Hetze), sind Parks in Wahrheit extrem stressige Zonen, in denen permanent Verletzungen drohen, wenn man kleine Kinder dabeihat. Es ist schlicht unmöglich, sich zu entspannen, wenn man jeden Moment damit rechnet, dass ein Kind die Schaukel an den Hinterkopf bekommt, von der Rutsche stürzt, vom Karussell geschleudert wird oder ein Streit mit anderen übermüdeten Kindern um die Frage, wer als Nächster auf der Wippe dran ist, in eine hässliche Prügelei ausartet. Aber neulich ist mir aufgefallen, dass wir gar nicht mehr in Parks gehen. Inzwischen flehe ich meine Kinder geradezu an, mehr Zeit draußen zu verbringen. Mal spazieren zu gehen. Oder schwimmen. Komm, sieh dir den Mond an. Bring den Müll raus, hol die Post rein, hilf mir beim Ausladen. Egal was. Jamie leidet wahrscheinlich schon an Vitamin-D-Mangel. Das einzige Licht, dem sie länger ausgesetzt ist, ist die Strahlung ihres Computerbildschirms.
Manchmal fühle ich mich wie ein Park, den meine Kinder nicht mehr besuchen. Früher war ich der Nabel ihrer Welt. Jetzt gehöre ich eher zur Peripherie – ich stelle das Essen auf den Tisch, fahre sie irgendwohin, wo sie lieber sind als bei mir, und darf sie noch hin und wieder umarmen, wenn sie sich einen Moment lang vergessen. Das Schlimmste ist, dass ich für die beiden eine wandelnde Peinlichkeit bin. Erst neulich war ich ganz hingerissen von einem kleinen Mädchen, das seine Puppe in einem Wagen vor sich her schob. »Fährst du dein Baby spazieren?«, flötete ich, woraufhin Aaron in demselben Tonfall erwiderte: »Machst du kleinen Kindern Angst?«
Es gibt Momente, da würde ich ihn am liebsten kräftig schütteln und schreien: »Weißt du eigentlich, wer ich mal war?« Ob ihr es glaubt oder nicht, es gab mal eine Zeit, da konnte ich flirten, dass jeder Mann seine gute Erziehung vergaß – ob verheiratet oder solo, nüchtern oder betrunken. Ich konnte mit einer Lötlampe umgehen, Strapse tragen und Salsa tanzen. Heutzutage kann ich nicht mal ein Lied im Radio mitsingen oder – Gott behüte – vor meinen Kindern tanzen, ohne dass sie über mich herfallen, den Impuls bereits im Keim ersticken und mir das Gefühl geben, ich sei absolut lächerlich. Als hätte meine Begeisterung für Musik, harte Kerle mit Tattoos und lange Abschiede keinen anderen Zweck als den, sie zu demütigen. Offenbar bin ich zu etwas geworden, das man ertragen muss. Was cool ist, bestimmen sie allein. Am liebsten würde ich ihnen erklären: »Ich habe die Coolness praktisch erfunden!« Aber das zu sagen wäre natürlich total uncool.
Über dem Teich schimmern Libellen, weiter draußen schwimmen ein paar Seerosen.
»Was macht dein Tinnitus?«, frage ich Helen.
»Der klingt, als hätte ich ein Faxgerät im Kopf, das ständig was zu
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