Endstation Venedig
winzigen Strand war weit und breit keines der Gemälde zu sehen gewesen, da war Brunetti ganz sicher. Aber vielleicht hatte er, irgendwo an seinem Körper versteckt, einen Teil von Signora Viscardis Schmuck bei sich gehabt. Brunetti hatte ja nur die Hosen-taschen durchsucht, möglich war es also.
Wo waren sie denn?
fragte er.
In seiner Brieftasche, Brunetti. Erzählen Sie mir nicht, das sei Ihnen entgangen. Es geht aus der Liste der Dinge hervor, die bei ihm gefunden wurden. Waren Sie nicht mehr so lange da, um diese Liste aufzustellen?
Sergente Vianello hat sich darum gekümmert.
Ach so. Bei diesem ersten Anzeichen, daß Brunetti etwas übersehen haben könnte, wurde Pattas Laune noch besser.
Sie haben
das also nicht gesehen?
Nein, Vice-Questore. Es tut mir leid, aber ich muß es übersehen haben. Die Lichtverhältnisse waren sehr schlecht da draußen.
Er
verstand langsam nur noch Bahnhof. In Ruffolos Brieftasche war kein Schmuck gewesen, es sei denn, er hatte eines der Stücke für zwanzigtausend Lire verkauft.
Die Amerikaner schicken noch heute jemanden her, um einen Blick darauf zu werfen, aber ich denke, es besteht kein Zweifel. Fosters Name steht drauf, und Rossi sagt, dem Foto nach könnte er es sein.
Sein Paß?
Pattas Lächeln war gönnerhaft. Sein Dienstausweis. Natürlich.
Die Plastikkarten in Ruffolos Brieftasche, die Brunetti zurückge-steckt hatte, ohne sie näher anzusehen. Patta fuhr fort: Das ist
ein sicherer Beweis dafür, daß es Ruffolo war, der ihn umgebracht hat. Wahrscheinlich hat der Amerikaner irgendeine falsche Bewegung gemacht. So was ist dumm, wenn der andere ein Messer hat.
Und Ruffolo ist daraufhin in Panik geraten, wo er doch gerade erst aus dem Gefängnis war.
Patta schüttelte den Kopf über die Unbe-sonnenheit von Kriminellen.
Zufällig hat mich gestern nachmittag Signor Viscardi angerufen und mir gesagt, daß der junge Mann auf dem Foto möglicherweise doch an dem Einbruch beteiligt war. Er selbst sei einfach viel zu überrumpelt gewesen in dem Moment, um klar denken zu können.
Patta schürzte mißbilligend die Lippen, als er hinzufügte:
Und die Behandlung durch Ihre Leute hat wahrscheinlich nicht gerade dazu beigetragen, sein Erinnerungsvermögen zu stärken.
Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck, das Lächeln erblühte wieder.
Aber das ist alles Schnee von gestern, und er hat es anscheinend nicht allzu übel genommen. Demnach hatten diese Belgier wohl recht, und Ruffolo war wirklich dabei. Ich nehme an, bei dem Amerikaner war nicht viel zu holen, und da wollte er etwas Profitableres machen.
Patta war voll in Fahrt.
Ich habe schon
mit der Presse gesprochen und erklärt, daß wir von Anfang an keine Zweifel hatten. Der Mord an dem Amerikaner war eine Zufallstat.
Und das ist jetzt glücklicherweise bewiesen.
Als er hörte, wie Patta den Mord an Foster so kühl auf Ruffolos Konto buchte, wurde Brunetti klar, daß auch der an Dr. Peters nie als etwas anderes als Selbstmord gelten würde. Pattas Gewißheit war wie eine Dampfwalze, und ihm blieb nichts anderes übrig, als sich ihm direkt in den Weg zu werfen.
Aber warum sollte er das Risiko
eingehen und den Ausweis des Amerikaners mit sich herumtragen?
Das erscheint mir nicht plausibel.
Patta walzte ihn prompt nieder.
Er konnte viel schneller laufen
als Sie, Commissario. Es bestand also kaum Gefahr, daß er damit erwischt würde. Vielleicht hatte er auch vergessen, daß er ihn noch bei sich trug.
Beweisstücke, die einen mit Mord in Verbindung bringen, vergißt man normalerweise nicht so leicht.
Patta überging das.
Ich habe der Presse gesagt, daß wir von Anfang an Grund hatten, ihn des Mordes an dem Amerikaner zu verdächtigen, und daß Sie darum mit ihm reden wollten. Er habe wahrscheinlich gefürchtet, daß wir ihm schon auf der Spur waren, und geglaubt, in einer geringfügigeren Sache einen Handel mit uns machen zu können. Oder vielleicht wollte er auch versuchen, den Mord an dem Amerikaner jemand anderem anzuhängen. Daß er den Ausweis des Amerikaners bei sich hatte, läßt keinen Zweifel daran, daß er ihn umgebracht hat.
Natürlich, dachte Brunetti, klar, dadurch wird jeder Zweifel beseitigt.
Deshalb haben Sie sich ja schließlich mit ihm getroffen, nicht wahr? Wegen des Amerikaners. Als Brunetti nicht antwortete, wiederholte Patta seine Frage
Nicht wahr, Commissario?
Brunetti wischte die Frage mit einer Handbewegung weg und fragte seinerseits:
Haben Sie dem Procuratore schon
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