Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
Zone Süd, Sechseck-Welt
»Ein Trupp Morvath meldet, daß er eben eindeutig Nathan Brazil getötet hat«, sagte Czillaner müde. Er ließ die Gliedmaßen hängen, und der kürbisartige Kopf erweckte ebenfalls den Eindruck der Erschöpfung.
Serge Ortega seufzte.
»Wie viele sind das heute?«
»Siebenundzwanzig«, antwortete das Pflanzenwesen. »Und es ist noch früh am Tag.«
Ortega ließ sich auf seinen dicken Schlangenschwanz zurücksinken und schüttelte den Kopf.
»Aber man muß das Geniale daran bewundern. Er wußte , daß der Rat der Sechseck-Welt es nie wagen konnte, ihn wieder hereinzulassen. Also bringt er Chirurgen auf einer Kom-Welt dazu, einen ganzen Haufen von Leuten auf ungefähr seine Größe und Figur umzubauen, und schickt diese hindurch. Muß man ihn bewundern. Man muß auch den Schneid der Leute bewundern, die so etwas mit sich machen lassen – außer, sie sind verdammt naiv oder armselige Dummköpfe.«
Die rankenartigen Fühler des Czillaners ahmten ein sehr menschlich wirkendes Achselzucken nach.
»Egal. Was bringt ihm das ein? Wir töten trotzdem jeden, der durchkommt – und wir wissen , daß er ganz ähnlich den Fotos durchkommen muß, die wir von ihm haben. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, in irgendeiner Maske durchzuwischen, steht fest , daß er in Ambreza auftauchen muß – und dieses Sechseck ist ein Militärlager mit zahllosen Aufpassern. Wie sollte jemand von bekanntem Aussehen, nackt, der Maske beraubt, jemals hoffen können, ihnen zu entgehen?«
»Sie kennen Brazil nicht«, gab Ortega zurück. »Aber ich. Hören Sie jetzt mal auf, wie ein Computer zu denken, und denken Sie lieber wie ein Pirat. Nate ist ein verschlagener, raffinierter Pirat – in seiner Denkweise mir fast gleich. Schlau, Grumma. Wirklich schlau. Er versteht uns, die Art, wie wir denken, die Art, wie wir reagieren – denken Sie bloß daran, wie mühelos er sich ausgerechnet hat, daß er das ganze Theater inszenieren müßte, um sich einzuschleichen. Natürlich ist ihm völlig klar, daß wir mit seinem Auftauchen rechnen und ihm eine Falle zu stellen versuchen. Wenn Sie bei der Ausführung seines Planes so weit vorausdenken würden und Ihne n die Grenzen bekannt wären, wann würden Sie auf der Sechseck-Welt erscheinen?«
Der Czillaner dachte kurz nach.
»Das kann ich nicht sagen. Vielleicht würde ich warten, bis wir es so gründlich satt hätten, Imitationen umzubringen, daß wir damit aufhören?«
Ortega schüttelte entschieden den Kopf.
»Niemals. Zu riskant. Die Kommunikation zwischen Sechseck-Welt und dem Rest des Universums ist absolut einseitig. Er könnte nicht erfahren, wann wir diesen Punkt erreichen – oder ob es jemals dazu kommt. Nein. Es sieht Nate nicht ähnlich, diese Art von Risiko einzugehen, wenn das Unternehmen so wichtig ist.«
»Wann dann?« Der Czillaner war neugierig. Aus einem Hexagon stammend, dessen Gesellschaftssystem einer Riesen-Universität glich, war das Wesen mit den ausgefallensten Wissensgebieten vertraut, aber es hatte ein behütetes Leben geführt, und diese Art von Um-die-Ecke-Denken lag außerhalb seiner Erfahrung.
»Ich denke immer wieder an die anderen, an diejenigen, die zuerst gekommen sind«, sagte Ortega zu Grumma. »Na schön, man schickt zuerst seine wichtigsten Leute, damit sie hineingelangen. Das ergibt Sinn. Wenn wir vor der Zeit gewußt hätten, daß in diesem Maßstab etwas im Gange ist, hätten wir den Plan schon da zum Scheitern gebracht. Und die Tschang – warum ist sie hier wirklich vorbeigekommen, um mich zu sehen? Um der alten Zeiten willen? Sie hat mehr Gründe, mich umzubringen, als irgendein anderes Wesen – und sie ist noch dazu von meiner Art. Das war auch nicht müßige Neugier. Das Risiko, ich könnte Lunte riechen, war zu groß. Nein. Warum herkommen, sich vorstellen und mir erklären, da sei eine große Verschwörung im Gange und Brazil werde zurückkommen?«
Der Czillaner war geduldig, aber nur bis zu einem gewissen Punkt.
»Also schön. Warum?«
Ortega lächelte bewundernd.
»Mir ist das erst heute früh aufgegangen, und ich könnte mit dem Schädel gegen eine Wand fahren, weil ich das nicht früher gesehen habe. Sie hat das aus mehrerlei Gründen getan. Erstens hörte sie mich darüber aus, wie ich zu dem Ganzen stehen mochte, und machte sich einen Begriff davon, welchen Einfluß ich hier noch habe. Zweitens sorgte sie dafür, daß diese Art von Unternehmen – eine Jagd auf Brazil – stattfinden würde.«
»Aber das
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