Endstation Venedig
wenn sein Mund randvoll damit gewesen wäre , sagte er, wobei er alle R in seinem Satz ausließ und perfekt den etwas affektierten mailändischen Ton-fall imitierte, der so beliebt war bei arrivierten Politikern sowie bei den Komikern, die sich mit Wonne über sie lustig machten.
Als
erstes hat er mir gesagt, wie wichtig diese Bilder sind, was wahrscheinlich heißen sollte, wie wichtig er ist. Dann hat er sich darüber beschwert, daß er die Nacht in einem Mehrbettzimmer verbringen mußte. Das sollte wohl heißen, daß er Angst hatte, sich mit irgendeiner Krankheit der niederen Kasten anzustecken.
Hat er die Männer beschreiben können?
Er sagte, einer sei sehr groß gewesen, größer als ich.
Vianello
war einer der größten Männer bei der Polizei. Und der andere habe einen Bart gehabt.
Wie viele waren es denn? Zwei oder drei?
Er war sich nicht sicher. Sie haben ihn gepackt, als er hineinging, und er war so überrascht, daß er nichts gesehen hat, oder er erinnert sich nicht.
Wie schwer sind seine Verletzungen?
Nicht schwer genug für ein Einzelzimmer , antwortete Vianello, der gar nicht erst versuchte, sein Mißfallen zu verbergen.
Könnten Sie das etwas genauer beschreiben?
fragte Brunetti
mit einem Lächeln.
Er hat ein schönes Veilchen. Das wird im Laufe des Tages schlimmer. Da hat jemand wirklich gut getroffen. Und die Lippe ist aufgeplatzt, dann noch blaue Flecken an den Armen.
Ist das alles?
Ja, Commissario.
Da bin ich Ihrer Meinung; kaum genug für ein Einzelzimmer.
Oder überhaupt fürs Krankenhaus.
Vianello ging sofort auf Brunettis Ton ein.
Denken Sie jetzt,
was ich glaube, daß Sie denken, Commissario?
Vice-Questore Patta kennt die drei fehlenden Bilder.
Vianello schob den Ärmel seiner Uniformjacke hoch und sah auf die Uhr, schüttelte das Handgelenk, um die Zeit besser erkennen zu können, und sah wieder darauf.
Fast Mittag. Bald Zeit zum
Essen.
Wann ist der Notruf gekommen?
Kurz nach Mitternacht, Commissario.
Brunetti sah seinerseits auf die Uhr.
Zwölf Stunden. Und wir
haben schon einen Bericht, daß es Bilder von Guardi, Monet und Gauguin sind.
Tut mir leid, aber davon verstehe ich nichts. Bedeuten die Namen Geld?
Brunetti nickte nachdrücklich. Rossi sagte mir, das Anwesen sei versichert. Woher weiß er das?
Der Vertreter hat gegen zehn hier angerufen und gefragt, ob er sich den Palazzo ansehen könnte. Und das alles in weniger als zwölf Stunden. Interessant.
Vianello nahm ein Päckchen Zigaretten von seinem Schreibtisch und zündete sich eine an. Rossi sagt, diese belgischen Jugendlichen glauben, Ruffolo erkannt zu haben.
Brunetti nickte.
Ruffolo ist
doch nur ein kleiner Hüpfer, oder? Gar nicht besonders groß.
Er
blies eine dünne Rauchfahne aus und wedelte sie dann fort.
Und ganz sicher hat er sich keinen Bart stehen lassen, während er im Gefängnis war, nicht wenn seine Mutter ihn besucht hat , bemerkte Brunetti.
Das heißt also, keiner der Männer, die Viscardi gesehen haben will, kann Ruffolo gewesen sein, oder?
Hat ganz den Anschein , sagte Brunetti.
Ich habe Rossi gebe-
ten, ins Krankenhaus zu gehen und Viscardi zu fragen, ob er Ruffolo auf einem Foto wiedererkennt.
Wird er wahrscheinlich nicht , bemerkte Vianello lakonisch.
Brunetti stieß sich vom Schreibtisch ab.
Ich glaube, ich muß ein
paar Telefongespräche führen. Entschuldigen Sie mich, Sergente.
Natürlich, Commissario , sagte Vianello und fügte hinzu: Null Zwo.
Das war die Vorwahl für Mailand.
14
In seinem Büro holte Brunetti ein spiralgebundenes Notizbuch aus dem Schreibtisch und begann darin herumzublättern. Seit Jahren nahm er sich immer wieder fest vor, die Namen und Telefonnummern in diesem Büchlein irgendwie zu ordnen. Und jedesmal, wenn er auf der Jagd nach einer Nummer, die er seit Monaten oder Jahren nicht angerufen hatte, wieder einmal darin blätterte, erneuerte er seinen Vorsatz. In gewisser Weise ähnelte dieses Blättern dem Schlendern durch ein Museum, in dem er viele vertraute Bilder sah und jedem Gelegenheit gab, eine Erinnerung zu wecken, bevor er seine Suche nach dem fortsetzte, was er eigentlich sehen wollte. Schließ-
lich fand er, was er suchte, die Privatnummer von Riccardo Fosco, dem Wirtschaftsredakteur einer der wichtigsten Wochenzeitschriften des Landes.
Bis vor wenigen Jahren war Fosco der Star der Nachrichtenmedi-en gewesen und hatte Finanzskandale an den unwahrscheinlichsten Stellen aufgedeckt. Als einer der ersten hatte er Fragen zur
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