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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Asrael.
    Ich betrachtete den schlafenden Rabbi und sah, dass auch Sarah da war, schlafend, auf einem Kissen, ihre Hand hing nieder auf den kalten Boden.
    Ich verließ das Zimmer. Zwei Schwestern bemerkten mich, kamen auf mich zu und erklärten, ohne Erlaubnis könne ich nicht hier bleiben, dem Mann dort hinten gehe es sehr schlecht.
    Ich wandte den Blick zurück. Dort lag Nathans Körper. Er war tot, was er schon gewesen war in dem Augenblick, als ihn die Kugeln getroffen hatten. Plötzlich wurde der Alarm ausgelöst, grelles Piepsen kam von den Geräten.
    Der Rabbi erwachte. Auch Sarah schreckte hoch. Ihr Blick hing an dem toten Körper Nathans.
    ›Er starb in Frieden‹, sagte ich und drückte der Schwester einen Kuss auf die Stirn. ›Ihr habt alles Menschenmögliche getan.‹
    Und dann verließ ich das Krankenhaus.«

    25

    »Ich schritt durch die City New Yorks. Als ich den ›Tempel vom Geiste Gottes‹ erreichte, fand ich ihn von der Polizei und Männern verschiedenster militärischer Einheiten umzingelt. Es war eindeutig, dass dieses Gebäude eingenommen und alle Schuldigen verhaftet worden waren. Kaum jemand schenkte mir Beachtung - irgendein Verrückter in Samtgewändern, dachten sie wahrscheinlich. Überall liefen Tempelbrüder herum und weinten und stimmten Klagegesänge an.
    Ich ging in den Park, und auch dort lagen sie weinend im Gras und unter den Bäumen, sie sangen Hymnen und verkündeten, sie könnten einfach nicht glauben, dass der ganze Kult ein Betrug sei. Die Botschaft des Tempels sei gewesen: Liebe deinen Nächsten, sei gütig, sei ein guter Mensch.
    Ich blieb einen Augenblick ganz still stehen, dann, unter Aufbietung all meiner Fähigkeiten, verwandelte ich mich, bis ich Gregorys Aussehen angenommen hatte. Das fiel mir erstaunlich schwer, und genauso schwer fiel es mir, die Gestalt auch beizubehalten. Ich ging zu den Leuten hinüber, und als sie aufsprangen, bat ich sie, Ruhe zu bewahren. Gregorys Stimme benutzend, erzählte ich ihnen, ich sei ein Bote und wolle ihnen berichten, dass ihr Führer geistesgestört sei, doch die uralte Botschaft der Liebe sei eine unverrückbare, ewige Wahrheit.
    Bald schon war ich von einer großen Menschenmenge umgeben. Ich redete ununterbrochen, gab Antwort auf die Platitü-
    den, die sie über die Liebe, über das Teilen, über die Wohlfahrt der Welt von sich gaben, indem ich ihnen bestätigte, dass dies alles gut sei. Schließlich griff ich zurück auf Zurvans Worte: Lieben, lernen, gütig sein.
    Ich fühlte mich erschöpft.
    Ich löste mich auf und verschwand.
    Unsichtbar trieb ich in die Höhe, an den Fenstern des ›Tempels vom Geiste Gottes‹ vorbei. ›Die Gebeine‹, flüsterte ich.
    ›Führe mich zu den Gebeinen.‹ Und fand mich in einem Raum mit einem Brennofen wieder, jetzt leer und ohne Überwa-chungsgeräte, da man das ganze System abgeschaltet zu haben schien. Als ich die Tür des Ofens aufmachte, sah ich die Gebeine unbeschädigt vor mir liegen. Da war es, das gute alte Skelett.
    Als ich es herausnahm, hüpfte es an seinen neuen Drähten auf und ab. Und dann befahl ich Kräfte zu mir, die meinen Händen stahlgleiche Härte verliehen. Ich umfasste den Schä-
    del, zerdrückte ihn in Stücke, die ich gegeneinander rieb, bis sie als Pulver aus meinen Händen rieselten, goldenes Pulver.
    Ich blieb unsichtbar, während ich mit allen Knochen so verfuhr, jeden Einzelnen zwischen meinen Händen zerrieb, bis nichts als Staub übrig war, winzige, glitzernde Krümel goldenen Staubs, die vom Lüftungssystem aufgesaugt wurden. Ich öffnete das Fenster zur Straße, und vom plötzlichen Luftzug wurde der Staub nach draußen getragen. Ich stand da und wartete, bis alles verschwunden war, nur noch hie und da ein winziges goldenes Pünktchen schwebte.
    Nachdenklich begutachtete ich meine Umgebung.
    Und entdeckte plötzlich, dass ich sichtbar, massiv, mitsamt meiner Kleidung im Raum stand.
    Ich verließ den Raum. Doch die Polizei war hier allgegenwärtig. Leute von der Seuchenkontrollzentrale liefen herum und Angehörige der Armee. Es hatte keinen Zweck, vor diesen leicht in Panik zu versetzenden Männern entlangzumarschie-ren. Davon abgesehen, es gab noch genug zu tun für mich.
    Ich hatte keine sonderlich große Lust dazu. Aber es musste sein. Zu viel Gift war noch an zu vielen kritischen Orten versteckt. Zu viele Wahnsinnige waren den offiziellen Stellen und den Armeen um eine Nasenlänge voraus.
    Ich entledigte mich meines Körpers - wieder war ich erstaunt

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