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Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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1.
    In einem Wald zwischen Beaupain und Artillon liegt ein Mann. Seine Kleidung schmutzig, als wäre er immer wieder hingefallen oder gar gekrochen, Hose und Jacke feucht vom Morgentau, er liegt wohl schon seit einigen Stunden hier. In ein paar Metern Entfernung tippelt argwöhnisch ein Rabe umher – hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, vor der Konkurrenz in diesen Körper zu hacken, und der Gefahr, die von diesem Wesen noch ausgehen könnte. Ungeduldig schreit er in dessen Richtung. Entscheide dich endlich: tot oder lebendig. Wie zur Antwort beginnt im Wipfel einer Föhre ein Specht sein Tagwerk, zum Stakkato seines Schnabels fließt das Sonnenlicht über den Waldboden in Richtung des Mannes, der nun langsam den Kopf hebt, sich wie in einem tragischen Ballettstück auf seine Handflächen stützt und die Augen öffnet. Er reißt den Mund auf, als wolle er schreien, doch es kommt nur ein heiseres Stöhnen, ein schluchzendes Krächzen dann, worauf der Rabe aufflattert und sich in sicherer Entfernung auf einem Ast niederlässt. Mehr aus Neugier denn aus Hoffnung auf Beute verweilt er dort und sieht zu, wie sich der Mann aufrichtet und zwischen den Bäumen umhertorkelt. Dann bleibt er stehen, lässt sich auf die Knie fallen und presst seinen Mund auf einen Moospolster. Gierig saugt er ein, was das Moos an Flüssigkeit hergibt, bewegt sich auf allen vieren weiter, bis er die nächste kleine Oase gefunden hat. Den Raben langweilt dieses sich unzählige Male wiederholende Tun, er sucht das Weite, sieht nicht mehr, wie der Mann schließlich aufsteht und weiterirrt, bis er zu einem kleinen Bach kommt. Als er sich bückt und die Hände zu einer Schale formt, fällt ein Gegenstand aus seiner Jackentasche ins Wasser. Er greift danach, hält eine Pistole in der Hand, zögert einen Augenblick, lässt dann das Magazin aus dem Schaft gleiten. Sieben Patronen zählt er, zieht den Schlitten zurück, nimmt die verbliebene Patrone aus dem Lauf und drückt sie zu den anderen. Elf fehlen, elf fehlen, murmelt er, betrachtet die Waffe erneut und steckt sie schließlich hinten in den Hosenbund. Er hebt den Kopf, sieht in den Himmel, bewegt stumm den Mund, lässt sich wieder auf die Knie nieder und trinkt. Später sitzt er auf einem Baumstumpf, die Ellbogen auf den Knien, das Gesicht in die Hände gelegt. Immer wieder schüttelt er heftig den Kopf. Irgendwann blickt er auf, kneift die Augen zusammen wie ein Kurzsichtiger ohne Sehbehelf. Niemand hört, wie er sagt: Mein Name, mein Name, mein Name. Mein Name ist Johannes Schäfer, ich bin einundzwanzig Jahre alt und wohne in Innsbruck.

2.
    Bergmann allein im Büro. Mit einem schwarzen Kugelschreiber zieht er die Striche auf der Schreibunterlage nach. Jeden Tag kommt ein neuer hinzu. Wie auf einer Zellenwand. Dreiundzwanzig sind es mittlerweile. Er legt den Kugelschreiber beiseite, nimmt die Handschellen vom Tisch, öffnet einen der Ringe und schlägt ihn mit einer schnellen Drehung des Handgelenks an den Fuß der Schreibtischlampe. Einhändiges Tempoachtern, in Gedanken geht er eine Realsituation dazu durch: Tritt in die Kniekehle, Fixieren der Person durch Druck des linken Unterarms in den Nacken beziehungsweise Griff in die Haare, Sichern des rechten Handgelenks mittels Handfessel, bei Gegenwehr Ellbogen oder Finger bis zur Bruchstelle belasten, zweiten Ring anbringen, Abkühlphase abwarten beziehungsweise Person in Gewahrsam der Kollegen geben. Klack, klack, klack, der Fuß der Lampe weist zwei Dellen mehr auf, an denen der Lack absplittert. Schäfers Lampe gegenüber ist nur am Schirm beschädigt, an der Außenseite, die zum Fenster zeigt, dessen Griff analoge Schlagspuren aufweist. Ein rituelles Dacapo, das sich Bergmann herbeisehnt: Sein Vorgesetzter kommt bei der Tür herein, sieht sich um, als hätte er sich im Zimmer geirrt, setzt sich, trommelt mit den Fingern auf die Tischoberfläche und schlägt dann mit dem Handrücken den Lampenschirm weg, der blechern gegen den Fenstergriff knallt. War die Lampe an, hieß das in den meisten Fällen: Licht aus.
    Bergmann steht auf, dreht sich um und nimmt aus dem obersten Regal einen Karton mit Glühbirnen; eine Großpackung zu vierundzwanzig Stück, die er nun auf den Schreibtisch stellt und den Inhalt zählt. Sieben. Gekauft hat er die Packung vor einem halben Jahr … kurz vor Weihnachten, gewohntermaßen eine schwierige Zeit für seinen Chef: der Wind, der Wiener Nebel, kaum Tageslicht … zwei Jahre zuvor hat Bergmann für Schäfer

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