Engelsbann: Dunkle Verlockung Teil 2 (German Edition)
würde in dieser Gnade eine Schwäche sehen, die sie zu noch verkommeneren Taten verführen würde. »Du hast ein Leben ausgelöscht, Amariyah. Ein kleines Leben zwar, ein winziges Licht, aber dennoch ein Leben.«
Amariyahs Hände ballten sich neben ihrem durchscheinenden Gewand zu Fäusten und zogen den Stoff über den Oberschenkeln straff. »Dann darfst du ihm meinen Tod erklären.« Ein bitteres Lachen. »Ich bin sicher, er wird dir vergeben, so wie er dir auch vergeben hat, dass du der Grund für seinen eigenen Tod bist.«
Nimras Brustkorb verhärtete sich vor Kummer, doch sie ließ nicht zu, dass sich diese Gefühle in ihrer Miene spiegelten; sie hatte jahrhundertelange Erfahrung darin, ihr wahres Ich zu verbergen, wenn es nötig war. »Du wirst nicht sterben«, sagte sie in eisigem Ton, der tief aus ihrem dunklen, machtvollen Herzen kam. »Es sei denn, du hast noch weitere Taten begangen, von denen wir nichts wissen.«
Zum ersten Mal flackerte echte Angst in Amariyahs Augen auf. Ihr brach der Schweiß aus. »Was wirst du mir antun?« In dieser Frage lag die plötzliche Erkenntnis, dass Nimra nicht ohne Grund selbst von den brutalsten Wesen gefürchtet wurde.
Nimra trat zu ihr hinüber und legte ganz sacht ihre Fingerspitzen auf die Hand der Vampirin. Doch gerade in dieser Sanftheit lag eine Waffe, die so grausam war, dass nur ein flüchtiger Eindruck davon ihre Feinde in zitternde Wracks verwandelte. »Dies.«
Obwohl Noel nichts sah und nichts spürte, begann Amariyah zu zittern und sich zu verkrampfen, und in einer Kakophonie aus klappernden Gliedern und Zähnen sackte ihr Körper zu Boden. Als sie schließlich zur Ruhe kam, blieben ihre Augen fest geschlossen, und wimmernde Laute drangen aus ihrem Mund, während ihre Gliedmaßen schlotterten, als herrschte tiefste Kälte.
»Jedes Mal, wenn ich das tue«, sagte Nimra mit gequältem Blick, als sie auf die am Boden liegende Frau hinabsah, »kostet es mich ein Stück von mir selbst.«
Noel hob die heftig zitternde Amariyah vom Boden auf, legte sie aufs Sofa und deckte sie mit einer Kaschmirdecke zu, die über der Lehne gehangen hatte. »Sie blutet ein wenig, offenbar hat sie sich auf die Lippe gebissen.« Er zog ein Taschentuch aus einer Schachtel, die neben ihm auf dem Tisch stand, und wischte ihr das Blut ab. »Aber ansonsten scheint es ihr körperlich gut zu gehen.« Für einen kurzen Augenblick glaubte er, einen Blick auf die Ursache von Nimras Ruf erhascht zu haben, doch das Bild entwischte ihm, bevor sein Geist es richtig zu fassen bekam.
Schweigend trat Nimra vor die großen Fenster, die den Blick auf den Garten freigaben, ihre juwelenbestäubten Flügel streiften dabei über die glänzend lackierten Holzböden. Er konnte – wollte – sie nicht so allein dort stehen lassen, also folgte er ihr. Doch als er seine Hand an die Seite ihres Halses legte und sie an sich ziehen wollte, sperrte sie sich dagegen. »Aus diesem Grund fürchtet Nazarach mich«, murmelte sie, mehr sagte sie jedoch nicht.
Er hätte sie drängen können, doch stattdessen beschloss er, neben ihr stehen zu bleiben. Er wusste, dass sie nicht zerbrechen und nicht nachgeben würde, bevor diese Sache vorüber war. Sie leistet selbst Buße, dachte er, obwohl es Amariyah gewesen war, die einen nicht wiedergutzumachenden Schaden angerichtet hatte.
7
Es dauerte zwei Tage, bis Amariyah wieder aufwachte. Aus Respekt gegenüber Fen hatte Nimra verfügt, dass er niemals auch nur ein Wort von dieser Sache erfahren sollte, und sowohl Violet als auch Christian Geheimhaltung schwören lassen. Noel hatte keine Befürchtungen, dass einer von beiden sein Wort brechen könnte. Violet war mehr als loyal, und Christian war trotz seiner Eifersucht ehrenhaft bis ins Mark. Fen hatte man gesagt, dass Amariyah in Nimras Auftrag außerhalb des Staates zu tun hatte und bei ihrer Rückkehr voraussichtlich müde sein würde.
Als die Vampirin schließlich erwachte, war Noel bei ihr. Ihre Augen wirkten hohl, und unter ihrer stumpf und leblos gewordenen Haut traten die Knochen hervor. »Jeder andere, der so etwas versucht hätte«, sagte er, »säße jetzt auf der Straße. Aber da dein Vater nicht weiß, was du getan hast, darfst du bleiben.«
»Aber«, fügte er hinzu, »wenn du noch eine falsche Bewegung machst, werde ich persönlich für deinen endgültigen Tod sorgen.« Es war eine harte Äußerung, doch seine Loyalität galt Nimra. Darüber hinaus hatte das Raubtier, das er wie jeder Vampir in sich trug,
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