Engelsbann: Dunkle Verlockung Teil 2 (German Edition)
Raphaels höchster Wache gedient, um zu wissen, dass es mit einer bestimmten Art von biologischer Kompatibilität zu tun hatte. Nach allem, was er von der Beziehung zwischen Nimra und Fen zu sehen bekommen hatte, war er sicher, dass der Engel Fen verwandelt hätte, wäre er dazu in der Lage gewesen. »Weiß dein Vater, dass du so darüber denkst?«, fragte er und rieb mit dem Daumen über die glatte, grüne Oberfläche des Blattes in seiner Hand.
Ihr Gesicht wurde zu einer Maske des Zorns. »Er verehrt sie – was ihn angeht, ist dieses Miststück unfehlbar. Er gibt ihr nicht einmal die Schuld daran, dass er stirbt! Er sagte mir, es gäbe Dinge, von denen ich nichts wüsste. Das war seine Rechtfertigung für sie.«
Es war unmöglich, kein Bedauern für das Leid zu empfinden, das Amariyah zu einer so abscheulichen Tat getrieben hatte, doch das minderte in keiner Weise ihr Verbrechen oder seine Wut darüber. »Und was ist mit Mitternacht?«
»Um Mitternacht habe ich überhaupt nichts getan.« Eine scharfe Antwort. »Das Fleisch habe ich der Katze gleich nach Sonnenaufgang gegeben. Da hast du dein Geständnis. Und jetzt bring mich zu der Frau, die deine Leine hält.«
Die Stichelei blieb wirkungslos. Im Gegensatz zu Amariyah wusste Noel, wer er war und dass ein Engel nicht ganz auf sich gestellt sein konnte – auch wenn Nimra ihm da widersprechen würde. Raphael hatte seine Sieben, und Nimra würde Noel haben. Denn allen Geheimnissen zum Trotz war er immer mehr davon überzeugt, dass das, was er hier am Hofe sah, die Wahrheit war und Nimras grausamer Ruf eine äußerst geschickte Täuschung.
Anstatt Fens Tochter in den privaten Flügel zu begleiten, führte er sie in die untere Bibliothek und bat Christian, den er dort vorfand, sie zu bewachen.
»Sehe ich aus wie dein Diener?« Eine frostige Frage.
»Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, Christian.«
Die listigen Augen des Vampirs zogen sich zusammen, bevor er nickte. »Ich werde auf sie aufpassen.«
Ungläubig schüttelte Nimra den Kopf, als Noel ihr die Identität des Täters nannte. »Ich wusste, dass sie ein wenig verbittert ist, aber so etwas hätte ich ihr nicht zugetraut.«
»Ich bin überzeugt, dass sie nichts mit dem Mitternachtsgift zu tun hatte«, fuhr Noel fort. Sein Tonfall war pragmatisch, doch in seinen Augen sah sie den schwärzesten Zorn aufblitzen. »Sie wirkte ehrlich verwirrt, als ich davon sprach.«
Nimra kroch langsam die Kälte durch ihre Adern. »Also gibt es an meinem Hof zwei Personen, die mich hassen – das rückt die Frage in den Blickpunkt, wie gut ich meine Leute durchschaue, nicht wahr?«
»Dieser Hof hat ein Herz, das den meisten anderen fehlt.« Leidenschaftliche Worte aus dem Mund ihres Wolfs. »Lass dir von Amariyah und ihresgleichen nicht nehmen, was du dir hier aufgebaut hast.« Er hielt ihr die Hand hin.
Und wartete.
Ich darf niemals schwach erscheinen.
Und doch streckte sie die Hand aus und schob sie in die raue Wärme der seinen. Sie wollte sich menschlich fühlen, und wenn es nur für ein paar wenige Augenblicke war, bevor sie zum Monster werden musste. In einer kleinen, besitzergreifenden Geste schlossen sich seine Finger um ihre. Sie fragte sich, ob er jetzt, wo sie es nicht gestatten konnte, nachdrücklich versuchen würde, seinen Anspruch geltend zu machen. Doch sobald sie den Bereich des Hauses betraten, in dem sie anderen begegnen konnten, ließ er ihre Hand los und beobachtete aus seinen wachen blauen Augen, wie sie wieder Nimra die Herrscherin wurde.
»Weiß Fen davon?« Sie wollte ihrem Freund diesen Schmerz ersparen.
»Ich habe ihm nichts gesagt.«
Nimra nickte. »Gut.«
Bis sie die Bibliothek erreichten, sagte keiner von ihnen mehr ein Wort. Christian und Noel tauschten ein steifes Nicken aus, bevor der Engel sie allein ließ. Noel schloss die Türen und blieb mit dem Rücken zu ihnen stehen, während Nimra das Zimmer durchquerte, um einer missmutigen Amariyah gegenüberzutreten. Die Vampirin stand vor einem unbenutzten Kamin, den Violet mit Kiefernzapfen und getrockneten Blumen verziert hatte.
In trotzigem Tonfall ergriff Amariyah das Wort, bevor Nimra etwas sagen konnte. »Mein Vater hat nichts damit zu tun.«
»Deine Loyalität zu Fen ehrt dich.« Nimra war darauf bedacht, dass ihre Stimme sie nicht verriet. »Aber eine solche Tat kann ich nicht vergeben, nicht einmal um seinetwillen.« Sie wollte nicht grausam sein, doch sie durfte auch keine Gnade zeigen, denn ein Vampir wie Amariyah
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