Engelstraum: Schatten der Ewigkeit: Roman (German Edition)
»Das möchte ich nicht.«
Blödsinn. »Klar, und ich soll dir glauben, dass du dich nicht an mir rächen willst? Dich macht es doch maßlos wütend, dass ich dir einen deiner kostbaren Engel genommen habe.«
Ihr entging das leichte Zucken seiner Wimpern nicht. Aha. »Ich habe ihn genommen. Ich war die, für die Keenan fiel.« Sie lächelte und wusste, dass er ihre Reißzähne sehen konnte. »Er fiel meinetwegen, für einen Vampir, einen Parasiten, und er will nicht zu dir zurück.«
»Du wirst ihn zerstören.« Frechheit!
Und dieser Kerl sollte nicht fühlen? Wohl eher brodelten sämtliche Engel vor Emotionen und standen kurz vor der Explosion. »Machst du dir Sorgen?«, fragte sie. »Denn mir kommt es vor, als wärst du auch kein vollkommener Engel mehr.«
»Der war ich nie.«
Nun stutzte Nicole.
Seine Flügel waren nach wie vor weit ausgebreitet, seine Hände zu Fäusten geballt. »Liebst du ihn, Vampir?«
»Ja.« Es war die Wahrheit.
»Wie sehr?«, fragte er.
Sie betrachtete ihn verwundert und misstrauisch. Was hatte er vor?
»Liebst du ihn genug, um dein Leben für ihn zu geben? Denn genau das hat er für dich getan. Er gab alles auf, was er hatte. Er brannte, als er fiel, kroch durch die Hölle, nur um zu dir zu kommen.«
Durch die Hölle? Moment mal!
»Also frage ich dich: Was würdest du für ihn tun?«
Ihr fiel auf, dass es unten still geworden war. Zu still. Ihr schien das Herz in der Brust zu gefrieren. Sie rannte quer durchs Zimmer zu der großen schwarzen Tasche neben dem Nachtschrank. Als sie die Tasche oben aufriss, fand sie darin ihre Sachen. All ihre Sachen waren von Keenans Haus hierhergebracht worden. Offenbar hatte Sam geahnt, dass sie wieder herkommen würden. Sie zerrte eilig einige Sachen heraus, und tatsächlich war ihre Waffe in der Tasche. Danke, Sam!
»Würdest du für ihn kämpfen?«, fragte Az. »Würdest du für ihn töten?«
»Ja«, antwortete sie prompt und umfasste den Waffenknauf. Es war die Waffe mit den Silberkugeln, die sie in der Blutbar in San Antonio mitgehen ließ. Diesmal habe ich Silber, Mistkerl.
»Würdest du für ihn sterben?«
Wut kochte in ihr, als sie sich zu ihm umdrehte. »Ich weiß nicht, was für ein krankes Spiel das hier sein soll.«
Er würdigte die Waffe keines Blickes. Warum sollte er auch? Er musste sie ja nicht fürchten. Carlos hingegen täte gut daran, sich vor den verbliebenen Silberkugeln zu ängstigen.
Az beobachtete sie aufmerksam. »Wir wissen beide, dass Carlos nicht auf der Jagd nach dir ist. Er will Keenans Blut, weil er sich davon Macht verspricht. Deshalb frage ich dich noch einmal, würdest du für ihn sterben?«
Die Stille war unheimlich. Nicole umklammerte die Waffe fester. Es waren nur noch wenige Kugeln übrig.
»Engel können sterben«, sagte Az, und bei seiner leisen Stimme liefen Nicole kalte Schauer über den Rücken. »Jeder kann sterben, und glaub mir, Vampir, ihr werdet diese Nacht nicht beide überleben.«
Keenan?
Sie sprang zur Tür.
»Mach dich bereit zu wählen!«, rief Az ihr nach. »Ich sehe den Tod kommen. Ich sehe ihn!«
Das Bild vom letzten Moment. Manchmal konnten diese Engel ganz schön nerven.
»Ich sehe dich und Keenan, sehe den Pfahl und sehe Blut.« Er schüttelte den Kopf. »Das Blut ist auf Keenan.«
Nein. Er durfte nicht sterben. Beinahe fiel Nicole die Treppe hinunter, weil sie zu schnell rannte. »Keenan!«
»Der Tod kommt«, folgte ihr Az’ Stimme. »Bevor die Sonne aufgeht, wird sich der Tod eine Seele holen.«
»Bleib weg von ihm!«, schrie Nicole, allerdings wusste sie selbst nicht, ob sie Az oder Carlos anschrie.
Dann war sie unten und sah die Glasscherben auf dem Boden. Zwei nackte Männer – sie mussten Gestaltwandler sein, denn die waren immer nackt, wenn sie sich in ihre menschliche Form zurückverwandelten – lagen auf dem Boden.
Doch Keenan war fort, und von Carlos war nichts zu entdecken.
»Beeil dich lieber.« Nicole drehte sich um und sah Az, der von oben zu ihr hinabblickte. »Die Zeit läuft ab.«
Zum Teufel mit ihm! Sie preschte hinaus in die Nacht, Keenans Namen rufend.
Sechzehntes Kapitel
Keenan fing sie ab, als sie aus dem Haus gestürmt kam, riss sie an sich und schlug ihr gleichzeitig eine Hand auf den Mund, damit sie aufhörte zu schreien.
Er zog sie in den Schatten und schirmte sie mit seinem Körper ab. »Ganz ruhig, Süße«, flüsterte er ihr zu. »Wir werden gejagt.«
Zwei Kojoten-Wandler hatte er schon geschafft. Sie waren das Empfangskomitee
Weitere Kostenlose Bücher