Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
wusste selbst nicht, warum ihn diese Erklärung nicht wirklich zufriedenstellte.
Er beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Es gab Naheliegenderes. Zum Beispiel, dass er Mettwurst, Eier und Gurken brauchte, wenn es heute Abend noch Strammen Max geben sollte. Und, ganz wichtig, sein Feierabendbier. Es wurde zusammen mit allem anderen in einer großen Plastiktüte verstaut, die zwar ihren Inhalt verbarg, dafür aber so schwer war, dass er sie mit größter Sorgfalt nach Hause tragen musste.
Aber als er dort ankam, war ihm die Lust auf Schlackwurst und Spiegelei vergangen. Auf das Hantieren am Herd und den Abwasch von zwei Tagen, der sich im Spülbecken stapelte.
Hochmut kommt vor dem Fall, dachte er reumütig, weil ihm sein Spott über Kästner und seine pünktlichen Mahlzeiten einfiel. Und zu allem Überfluss auch Marie, die mindestens so gut kochte wie Kästners Frau.
Zu spät. Vielleicht nicht für immer und ewig, aber für heute. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sich anderswo ein Essen vorsetzen zu lassen.
Erst als er auf der Holzbank von Willis Fischbarkasse saß und bedächtig Senf auf dem Kartoffelsalat neben der Scholle verteilte, wurde ihm bewusst, was ihn hierhergezogen hatte.
Die abendliche Ruhe im Hafen, in der das Treiben des Tages noch nachzuhallen schien. Das schräg einfallende Licht der tiefstehenden Sonne auf Bodden und Deich. Vor allem aber der Blick zu Niemanns Bank und das Gefühl, ein letztes stummes Zwiegespräch mit dem Alten zu führen, der gestern dort noch gesessen hatte. Knorrig und wortkarg wie eh und je, die Pfeife mit dem grau gekauten Mundstück zwischen den Zähnen, den Blick lieber hinaus aufs Wasser gerichtet als sonst irgendwohin. Keiner, dem die Leidenschaft anzumerken war, mit der er sich in Abenteuer gestürzt hatte. Auf See und in der Liebe.
Und während Pieplow dort saß, mit dem Bild des Alten vor Augen und den Kopf voller Gedanken an das Verborgene im Allgemeinen und Besonderen, beschlichen ihn die Ahnungen wieder, die sich in den Turbulenzen der letzten Stunde verzogen hatten.
Dass er etwas nicht sah. Oder nicht ernst genug nahm. Und dass ihm nichts einfiel, als sich und seine Gedanken treiben zu lassen, um herauszufinden, was es war.
13
Drei Stunden später sollten ihn diese Ahnungen wieder beschäftigen, obwohl er ein leichtes Summen im Kopf und aufkommende Bettschwere spürte. Die verdankte er drei sauber gezapften Bieren im Wieseneck , wo er auf dem Rückweg eingekehrt war. Um die Scholle schwimmen zu lassen, wie es der Volksmund empfahl, der heute jedoch noch ganz andere Vorschläge als zur Verdauung von Fischgerichten gehabt hatte.
Den, zum Beispiel, die Ermittlungen zu beschleunigen. Sonst kam Wandas Mörder noch ungeschoren davon. Wusste man doch, dass die ersten achtundvierzig Stunden die entscheidenden waren. Danach wurden die Spuren kalt und kälter und nix war mehr mit Aufklärung.
Sagte Sigi, der Installateur, und erhielt kopfnickend gemurmelte Zustimmung.
So wie die Runde Hein B, der zur Unterscheidung vom leider abwesenden Hein A so genannt wurde, mit sehr sorgenvollen Gesichtern belohnte, weil er auf die Folgen eines ungesühnten Mordes hinwies. Sturmfluten, Unfälle, jede Menge rätselhafter Tode. Das mit dem ollen Niemann sei nur der Anfang gewesen.
Als Speedy, sonst immer hektisch und im Laufschritt unterwegs, mit Grabesruhe von den beiden schwarzen Schwänen berichtete, die am Bodden gesichtet worden waren und sicher von kommendem Unheil kündeten, reichte es Pieplow.
»Ihr habt sie doch nicht mehr alle! Ausgewachsene Männer, die solchen Humbug verzapfen – nicht zu fassen!« Er schüttelte ärgerlich den Kopf und leerte sein drittes Glas Bier mit einem Zug.
»Wenn ihr das für Humbug haltet, ist das eure Sache. Wir nehmen solche Zeichen auf jeden Fall ernst. Vielleicht wär’s besser, wenn du das auch tätest.« Hein B guckte schon ziemlich glasig, hatte eine feuchte Aussprache, aber klare Vorstellungen von gegnerischen Lagern. Hier die ahnungsvollen Hiddenseer, dort die blinde Polizei. Oder die doofen Darßer. Beziehungsweise beides in Personalunion, wie es bei Pieplow der Fall war.
Es hätte komisch sein können. War es aber nicht.
Weil niemand sich für das interessierte, was Pieplow zur Versachlichung beitragen wollte, und weil der Verdächtige für die meisten schon feststand.
Manfred Graber.
Nach der Sache mit Zorro trauten sie ihm alles zu. Auch einen Mord, um seine marode Hütte zu retten.
»Jetzt macht aber
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