Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
Perlen, Bernstein wahllos übereinandergehängt.
»Was gibt’s da zu glotzen?«, fauchte sie, als Pieplow sich näherte.
Er hob beschwichtigend die Hände und machte einen weiteren Schritt auf sie zu. Bilder von längst vergessen geglaubten Einsätzen schossen durch seinen Kopf. Bilder von grell geschminkten Frauen auf dem Rostocker Kiez. Gereizt und unberechenbar in ihrer betrunkenen Wut. Nie hatte er voraussehen können, was der Anblick einer Uniform bei ihnen auslöste. Hysterische Raserei, hilfloses Weinen. Flucht.
Aber hier war nicht Rostock. Er war nicht auf dem Kiez und die Frau keine Hure. Auch wenn sie so aussah, wie sie dort stand und sich nur mühsam auf ihren hochhackigen Schuhen hielt.
Gesine Manthey.
Pieplow konnte kaum glauben, dass diese zerfledderte Jammergestalt die Frau sein sollte, der er hin und wieder begegnet war.
»Beruhigen Sie sich«, sagte er und legte eine Hand leicht an ihren Oberarm. »Wir regeln das hier und dann begleite ich Sie nach Hause.«
»Nix da, Pfoten weg!« Bei Pieplows Versuch, sie zum Ausgang zu führen, riss sie den Arm zur Seite und mit dem Ellenbogen zwei Dosen Mais herunter.
»Jetzt ist aber Schluss, Frau Manthey! Gehen Sie nach Hause. Wir bringen das morgen in Ordnung, wenn Sie ausgeschlafen haben.« In der Deckung von Pieplows Rücken konnte Gudrun jetzt energisch werden.
»Misch dich nicht ein, du dämliche Schnepfe. Du siehst doch, dass ich einkaufen muss.«
Viel war es nicht, was Gesine Manthey wollte. Milch, Mineralwasser, Tee. Hagebutte und Pfefferminz.
Schneller als jemals in seiner bisherigen Lehrzeit suchte Heiko zusammen, was die Kundin wünschte, die mit lauerndem Blick jedem seiner Handgriffe folgte. Die darauf bestand zu bezahlen, was sie mitnahm, aber ihr Portemonnaie allein nicht mehr öffnen konnte.
Gudrun war es gewohnt, Scheine und Münzen aus Geldbörsen zu fingern, die hilflose Kunden ihr entgegenstreckten. Nur waren die in der Regel alt und selten unter Polizeischutz. Eigentlich nie, musste man sagen.
Mit vereinten Kräften bekamen sie Gesine Manthey am Ende doch aus dem Laden.
»Verpiss dich!«, fauchte sie, als Pieplow sie begleiten wollte.
»Stramm wie eine Strandhaubitze.« Gudrun, die neben ihm stand, nahm eine Hand aus der Kitteltasche und machte eine Kippbewegung zum Mund. »Man sollte meinen, bei Leuten wie den Mantheys kommt so was nicht vor. Anscheinend ja doch. Fragt sich bloß, wieso? Haben alles, kriegen alles. Nur wohl den Hals nicht voll, wie’s aussieht.« Sie schüttelte angewidert den Kopf.
»Was meinst du damit: Haben alles, kriegen alles?«, fragte Pieplow.
»Hast du noch nie was über die Mantheys gehört«, fragte Gudrun zurück. »Muss man, wenn man mal richtig neidisch sein will. Immobilien, Häuser und Grundstücke in Stralsund. Geerbt. Rückübertragen, gekauft, verkauft. Am laufenden Band. Mit denen ist es nach der Wende richtig bergauf gegangen. Und sie...«, Gudruns abfälliges Nicken galt Gesine Manthey, die längst in den Hügelweg eingebogen und außer Sicht war, »... sie hat alles gekriegt. Natürlich auch das Haus hier auf Hiddensee.«
»Eins verstehe ich nicht...«, begann Pieplow.
»Was gibt’s denn da nicht zu verstehen?«, empörte sich Gudrun. »Die alten Mantheys waren reich, die jungen sind noch reicher. Der Esel scheißt eben immer auf denselben Haufen.«
Es war nicht die alte Volksweisheit, die Pieplow Verständnisschwierigkeiten bereitete. Auch nicht das damit zum Ausdruck gebrachte Prinzip der Kapitalakkumulation. Es war die Sache mit den Namen. Wenn die alten Mantheys Gesines Eltern waren, warum hieß sie dann genauso? Und der Ehemann auch. Oder war Gesine am Ende gar nicht seine Ehefrau?
»Oh, doch«, klärte Gudrun ihn auf. »Sie ist mit ihm verheiratet. Ziemlich spät zwar, aber immerhin. Ein paar Jahre muss das schon her sein. Drei oder vier, schätz ich mal. Und der Mann – große Klasse, sag ich dir. Er kommt zwar nicht oft in den Laden, aber wenn..., immer nett, sehr charmant...«
»Ich kenne ihn«, warf Pieplow ein, bevor Gudrun vollends ins Schwärmen geriet. »Aber wieso heißt er Manthey?«
»Keine Ahnung.« Gudrun zog Schultern und Augenbrauen hoch. »Bin ich zuerst auch drüber gestolpert. Gibt’s ja nicht so oft, dass ein Mann seinen Namen aufgibt, wenn er heiratet. Höchstens, er heißt Schweißfuß oder so. Das will man ja nicht mal als Doppelnamen.« Sie kicherte bei dem Gedanken. Schweißfuß-Manthey, das ging ja wohl gar nicht, oder?
Pieplow stimmte zu und
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