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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Enigma ihm zublinkte, war Kauderwelsch.
    Vier Personen im Wagen. Hester auf dem Rücksitz neben W igram. Zwei Männer vorn. Alle Türen verschlossen, die Heizung an, ein so starker Geruch nach Zigarettenrauch und Schweiß, daß sich Wigram seinen Schal vor die Nase drückte. Während der ganzen Fahrt hielt er das Gesicht halb von ihr abgewendet und sagte kein Wort, bis sie die Hauptstraße erreicht hatten. Dann überfuhren sie die weiße Linie, um einen anderen Wagen zu überholen, und ihr Fahrer schaltete eine Polizeisirene ein. »Um Himmels willen, Leveret, stellen Sie das Ding ab.«
    Der Lärm hörte auf. Der Wagen bog nach links und dann nach rechts ab. Sie ruckelten einen tief ausgefahrenen Weg entlang, und Hesters Finger krampften sich tiefer in die Lederpolsterung, weil sie vermeiden wollte, gegen Wigram gepreßt zu werden. Sie hatte kein Wort gesagt - dieses Schweigen war für sie eine Art Widerstandsgeste. Sie wollte verdammt sein, wenn sie ihre Nervosität zeigte, indem sie plapperte wie ein Schulmädchen.
    Ein paar Minuten später hielten sie irgendwo an, und Wigram blieb regungslos sitzen wie ein Staatsmann, während seine Männer auf den Vordersitzen ausstiegen. Einer von ihnen öffnete seine Tür. In der Dunkelheit leuchteten Taschenlampen auf. Schatten erschienen. Ein Empfangskomitee.
    »Haben Sie inzwischen die Scheinwerfer aufgestellt, Inspektor?« fragte Wigram.
    »Ja, Sir.« Eine tiefe Männerstimme mit einem Midlands- Akzent. »Aber die Leute vom Luftschutz waren ganz und gar nicht damit einverstanden.«
    »Die können sich fürs erste zum Teufel scheren. Wenn die Deutschen diesen Ort bombardieren wollen, dann sollen sie es tun. Haben Sie die Pläne?«
    »Ja, Sir.«
    »Gut.« Wigram hielt sich am Wagendach fest und hievte sich hinaus aufs Trittbrett. Er wartete ein oder zwei Sekunden, und als Hester sich nicht von der Stelle rührte, steckte er den Kopf wieder ins Wageninnere und schnippte gereizt mit den Fingern. »Nun kommen Sie schon. Oder erwarten Sie, daß ich Sie trage?«
    Sie glitt über den Rücksitz.
    Zwei weitere Wagen - nein, drei weitere mit eingeschalteten Scheinwerfern, vor denen sich die Silhouetten mehrerer Männer bewegten, dazu ein kleiner Armeelaster und ein Ambulanzwagen. Es war die Ambulanz, die sie erschütterte. Die Wagentüren standen offen, und als Wigram sie, mit der Hand leicht auf ihrem Ellenbogen, daran vorbeiführte, erhaschte sie den Geruch nach Desinfektionsmitteln, sah die gelblichen Sauerstoffzylinder, die Bahren mit den rauhen braunen Dekken, den Lederriemen, den unschuldigen weißen Laken. Auf der hinteren Stoßstange saßen mit ausgestreckten Beinen und rauchend zwei Männer. Sie sahen sie ohne eine Spur von Interesse an.
    »Schon einmal hier gewesen?« fragte Wigram.
    »Wo sind wir?«
    »In der Liebesgasse. Nicht Ihre Gegend, nehme ich an.«
    Er trug eine Taschenlampe, und als er beiseite trat, damit sie durch eine Pforte gehen konnte, sah sie ein Schild: »Vorsicht: Überschwemmte Lehmgrube - sehr tiefes Wasser.« Irgendwo vor ihnen hörte sie das Tuckern eines Motors und die Schreie von Seevögeln. Sie begann zu zittern.
    »Die Hand des Herrn lag auf mir und trug mich davon im Geiste des Herrn und setzte mich ab inmitten des Tals, das voll war von Gebeinen…«
    »Haben Sie etwas gesagt?« fragte Wigram.
    »Ich glaube nicht.«
    Oh, Claire, Claire, Claire…
    Das Motorengeräusch war jetzt lauter zu hören, und es schien aus einem Ziegelsteingebäude zu ihrer Linken zu kommen. Durch die Löcher im Dach drang ein schwaches weißes Licht und ließ einen hohen, viereckigen Schornstein erkennen, dessen unterer Teil von Efeu überwuchert war. Sie hatte das Gefühl, daß sie eine Prozession anführten. Hinter ihnen gingen der Fahrer, Leveret, dann der andere Mann aus dem Wagen, der einen Trenchcoat trug, und dann der Polizeiinspektor.
    »Passen Sie auf hier«, warnte Wigram und versuchte, wieder ihren Arm zu ergreifen, aber sie schüttelte ihn ab. Sie suchte sich selbst ihren Weg zwischen den Ziegelsteinbrocken und dem hohen Unkraut hindurch, hörte Stimmen, bog um eine Ecke und sah vor sich eine Reihe von grellen Scheinwerfern, die einen breiten Pfad erhellten. Sechs Polizisten arbeiteten sich nebeneinander auf Händen und Knien zwischen Glasscherben und Geröll vor. Hinter ihnen kümmerte sich ein Soldat um einen rumpelnden Generator; ein anderer wickelte Kabel von einer Trommel; ein dritter montierte weitere Scheinwerfer.
    Wigram grinste und blinzelte ihr zu,

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