Enigma
als wollte er sagen: Da sehen Sie, welche Mittel mir zur Verfügung stehen… Er zog ein Paar hellbraune, feine Lederhandschuhe an. »Ich muß Ihnen etwas zeigen.«
In einer Ecke des Gebäudes stand ein Wachtmeister neben einem Haufen Säcken. Hester mußte ihre Beine zwingen, sich vorwärtszubewegen. Bitte, lieber Gott, laß es nicht sie sein.
»Holen Sie Ihr Notizbuch hervor«, sagte Wigram zu dem Wachtmeister. Er hob das Rückenteil seines Mantels an und hockte sich nieder. »Ich zeige der Zeugin erstens einen Damenmantel, offensichtlich knöchellang, Farbe grau, mit schwarzem Samt abgesetzt.« Er zog ihn aus dem Sack heraus und drehte ihn um. »Graues Satinfutter. Stark befleckt. Vermutlich Blut. Muß überprüft werden. Etikett am Kragen: ›Hunters, Burlington Arcade‹. Und die Zeugin erklärte daraufhin?« Er hielt den Mantel hoch, ohne sich umzudrehen.
Erinnere dich. Ich habe gesagt: »Der ist viel zu schön, um ihn jeden Tag zu tragen«, und du hast gesagt: »Dumme alte Hester, das ist der einzige Grund, weshalb ich ihn überhaupt trage…«
»Und die Zeugin erklärte daraufhin?«
»Es ist ihrer.«
»Es ist ihrer. Haben Sie das? Gut. Weiter. Ein Damenschuh. Linker Fuß. Schwarz. Hoher Absatz. Absatz abgebrochen. Auch ihrer, was meinen Sie?«
»Woher soll ich das wissen? Ein Schuh…«
»Ziemlich groß, schätzungsweise Größe neununddreißig, vierzig. Welche Schuhgröße hatte sie?«
Eine Pause, dann Hester, leise: »Neununddreißig.«
»Den anderen haben wir draußen gefunden, Sir«, sagte der Inspektor. »Dicht beim Wasser.«
»Und ein Schlüpfer. Weiß. Seide. Stark blutfleckig.« Er hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger auf Armeslänge von sich. »Erkennen Sie den, Miss Wallace?« Er ließ ihn fallen und steckte abermals die Hand in den Sack. »Letzter Gegenstand. Ein Ziegelstein.« Er richtete seine Taschenlampe darauf.
»Gleichfalls mit Blut befleckt. Blonde Haare daran.«
»Elf Hauptgebäude«, sagte der Inspektor. »Acht davon mit Brennöfen, vier mit noch stehenden Schornsteinen. Bahngleise mit Rangierstrecken, die sie auf die Hauptstrecke führen, und hier eine Abzweigung, die direkt durch das Gelände hindurchführt.«
Sie waren jetzt draußen, an der Stelle, an der der zweite Schuh gefunden worden war, und die Karte lag auf einem rostigen Wassertank. Hester stand ein Stück von ihnen entfernt, bewacht von Leveret, dessen Hände locker herabhingen.
Weitere Männer bewegten sich zum Wasser hinab, das Licht von Taschenlampen durchbohrte die Nacht.
»Der hiesige Angelklub hat hier einen Schuppen, dicht neben dem Anleger. Normalerweise sind darin drei Ruderboote untergebracht.«
»Normalerweise?«
»Die Tür wurde eingetreten, Sir. Die Saison ist vorbei. Deshalb hat niemand es bemerkt. Ein Boot fehlt.«
»Seit wann?» »Also, am Sonntag ist ein bißchen geangelt worden. Nach Karpfen. Das war der letzte Tag der Saison. Da war noch alles in Ordnung. Also jederzeit nach Sonntag abend.«
»Sonntag. Und inzwischen haben wir Mittwoch.« Wigram seufzte und schüttelte den Kopf.
Der Inspektor spreizte die Hände. »Bei allem Respekt, Sir, ich habe drei Männer in Bletchley stationiert. Bedford hat uns sechs geliehen, Buckingham neun. Wir sind zwei Meilen vom Stadtzentrum entfernt. Alles hat seine Grenzen, Sir.«
Wigram schien ihn nicht zu hören. »Und wie groß ist der See?«
»Durchmesser ungefähr vierhundert Meter.«
»Tief?«
»Ja, Sir.«
»Wie tief - sechs, acht Meter?«
»An den Rändern. Fällt ab bis auf achtzehn. Könnten auch zwanzig sein. Es ist eine alte Grube. Sie haben die Stadt mit dem gebaut, was sie hier herausgeholt haben.«
»Ach, wirklich?« Wigram ließ das Licht seiner Taschenlampe über den See wandern. »Das kann gut sein. Ein Loch buddeln, um ein anderes zu bauen.« Nebel stieg auf, wirbelte im Wind wie Dampf über einem Kessel. Wigram schwenkte die Taschenlampe herum und richtete sie wieder auf das Gebäude. »Also, was ist hier passiert?« fragte er leise. »Unser Mann lockt sie am Sonntag abend für ein Schäferstündchen hierher. Tötet sie. Vermutlich mit diesem Ziegelstein. Schleift sie hier herunter…« Der Lichtstrahl verfolgte den Pfad von den Brennöfen zum Wasser. »Muß ein kräftiger Mann gewesen sein - sie war ziemlich groß. Und was passiert dann? Beschafft sich ein Boot. Steckt die Leiche in einen Sack. B eschwert ihn mit Ziegelsteinen. Das liegt auf der Hand. Rudert hinaus. Wirft sie über Bord. Ein gedämpftes Aufklatschen um
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