Enthemmt!

“Mädchen, ich liebe dich von ganzem Herzen. Egal was passiert, ich würde dir nie etwas antun. Genauso wenig wie du mir.”
    “Das kannst du laut sagen.”
    “Ich kapiere bloß diese Männer nicht. Man gibt ihnen alles, was man hat. Und sie nutzen das aus. Verarschen einen, als wäre es völlig egal, wie sehr man sie liebt. Ehrlich, ich verstehe das nicht.”
    “Vergiss es. Ich jedenfalls habe die Nase voll von der Liebe. Ich bin erfolgreich. Ich habe ein Leben. Ich brauche keinen Mann.”
    “Man braucht keinen, aber es ist netter, einen zu haben.”
    Lishelle nickt. “Das stimmt. Aber was, wenn wir nie die Liebe finden, die wir wollen und verdienen? Müssen wir denn heiraten? Viel lieber werde ich alt und grau und schlürfe mit meinen Freundinnen Cocktails, als mich noch mal auf irgendeinen Mann einzulassen, der mich dann wieder hintergeht. Ich meine, haben wir zusammen nicht wahnsinnig viel Spaß? Du und ich mit diesen herrlichen Apfelmartinis?”
    “Und mit unseren Racheplänen.”
    “Und mit unseren Racheplänen. Wir amüsieren uns köstlich.”
    “Das tun wir … aber nie mehr mit einem Mann? Was ist mit Sex? Seien wir ehrlich, ein Vibrator kann das auch nicht ersetzen.”
    “Frauen bekommen Sex doch überall und wann immer sie wollen.”
    “Erfüllenden Sex?”
    “Hattest du wirklich erfüllenden Sex mit Adam? Oder ich mit Glenn? Sie haben uns belogen. Nichts an dem, was wir mit ihnen geteilt haben, war real.”
    Das ist eine bittere Pille, die ich da zu schlucken habe, aber Lishelle hat recht.
    “Gut, vielleicht wollen wir irgendwann Kinder haben, aber es gibt alleinerziehende Mütter, die es auch schaffen, und vermutlich haben sie deutlich weniger Kopfschmerzen als mit Mann.”
    “Das ist ein beängstigender Gedanke. Aber mein Gott, du könntest recht haben.”
    Lishelle schüttet den Rest ihres Martinis hinunter und schnappt sich den Krug, um sich ein weiteres Glas einzuschenken. Ihre Augen sind schon leicht gerötet, ihre Worte klingen verwaschen. Sie ist eindeutig beschwipst. Immer wenn sie beschwipst ist, beginnt sie zu philosophieren.
    “Sollen wir 'How Stella Got Her Groove Back' anschauen?”, fragt sie.
    “Nach diesem ganzen Anti-Männer-Gerede?”
    Ein teuflisches Lächeln umspielt ihre Lippen. “Was soll ich sagen? Taye Diggs jedenfalls würde ich nicht von der Bettkante stoßen.”
    “Also glaubst du doch noch an die Liebe.”
    “Himmel, ja, ich glaube an die Liebe. Glenn hat vielleicht mein Herz und mein Geld geraubt, aber das kann er mir nicht auch noch wegnehmen.”
    “Das hätte ich selbst nicht besser formulieren können.” Ich kämpfe mich aus dem Sofa, greife nach dem Krug, schenke mir nach und stoße mit Lishelle an. “Auf die Vorstellung, dass du und ich und Alisha einen Mann finden, der so heiß und süß ist wie Taye Diggs in diesem Film.”
    “Vergiss es”, ruft Lishelle. “Darauf, dass dein Geburtstagswunsch erfüllt wird. Rache. Süße Rache.”
    Ich lächle. “Darauf trinke ich gerne.”

32. KAPITEL
    A lisha
    Mein Leben erinnert an einen Wirbelsturm. Gestern Nacht, nur Stunden nachdem ich die Broschüre über Costa Rica gefunden habe, sind Samera und ich sofort losgeflogen. Gott sei Dank hat sie die unverschämt teuren Last-Minute-Tickets mit ihrer Kreditkarte bezahlt. Sie sagte, sie freue sich auf ein Abenteuer. Ich werde ihr das Geld natürlich zurückgeben. Sobald ich meinen Teil des Hauses und eine Abfindung bekommen habe.
    Vorausgesetzt, das ganze Geld geht nicht für das drauf, was Charles der Stiftung wird zurückzahlen müssen.
    Die Sonne ist inzwischen ganz aufgegangen. Ich schaue auf die Uhr. Zwei Minuten nach acht. Wir sind Viertel vor sechs gelandet, was für eine unchristliche Zeit. Eigentlich sollte ich etwas schlafen, aber die Mischung aus Adrenalin und Koffein hält mich wach.
    Wir holpern gerade in einem Taxi über gewundene Bergstraßen zur Küste, wo wir ein Zimmer im Marriott in Los Suenos gebucht haben, das genau neben der Immobilie liegt, die in der Broschüre beschrieben wurde.
    Samera schnarcht leise mit geschlossenen Augen. Es ist erstaunlich, wie ein fünfeinhalbstündiger Flug eine Beziehung verändern kann, jedenfalls hat sich unsere dramatisch verbessert. Ich kann immer noch nicht glauben, wie viel wir gelacht haben! Kann nicht glauben, wie laut
ich
über ihre skandalösen Stripperinnen-Geschichten gelacht habe! Früher haben wir die meiste Zeit damit verbracht, das Leben der anderen zu kritisieren, aber jetzt kommt mir das