Entscheidung in Gretna Green
Pause gestand er: „Vielleicht wäre es mir in den Sinn gekommen.“
„Ich sagte dir, dass ich nie wieder heiraten wollte und nannte dir die Gründe.“
„Ja, das hast du.“
„Und du hast den Anschein erweckt, als würdest du mich verstehen – besser als ich mich selbst. Ist es dir nicht möglich, auch jetzt ein Körnchen Verständnis für meine Situation aufzubringen?“
„Mag sein.“ Hawthorns Schultern sackten nach vorne, als trage er eine schwere Last. „Aber warum sollte ich? Hast du auch nur einen einzigen Gedanken an mich verschwendet bei deiner Entscheidung, mich aus deinem Leben auszuschließen und unser Kind alleine ohne mein Wissen großzuziehen?“
„Nein“,gestand Felicity.„Zumindest habe ich nicht gründlich darüber nachgedacht. Ich habe dir schon oft gesagt, dass ich eine selbstsüchtige Frau bin, Hawthorn. Du hast das immer abgetan oder behauptet, mich zu verstehen. Wie hast du meine Selbstsucht einmal genannt – Selbstschutz? Ich habe das getan, was ich glaubte, tun zu müssen, um mich und mein Kind zu schützen.“
„Vor mir?“
„Vor einem Mann, den ich nur als angenehmen Gesellschafter und Liebhaber kannte, mehr nicht.“
„Kennst du mich denn jetzt besser?“ Sein dunkler Blick bohrte sich in sie. „Gut genug, um auf dein Kind zu verzichten und es mir zu überlassen – als Gegenleistung für eine Stunde Zuhören ohne Zusagen?“
„Ich weiß nur, wenn unser Kind vor einem Elternteil beschützt werden muss, dann vor mir.“
Erreichte sie ihn überhaupt? Oder hatte lediglich die Er schöpfung seinen Zorn gedämpft, machte seine Müdigkeit ihn nachsichtiger, als er beabsichtigte? Wenigstens schien es ihr gelungen zu sein, seinen schrecklichen Verdacht auszuräumen, sie habe ihn absichtlich benutzt, um doch noch ein Kind zu bekommen.
Selbst für diesen schwachen Trost war Felicity dankbar.
Wenn er nur den Panzer um sein Herz sprengen könnte, vielleicht wäre er zu Einsichten fähig, die jenseits seiner Vernunft lagen. Wenn er ihr nur verzeihen könnte, es wäre ihm bestimmt möglich, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Aber an diese Hoffnung durfte Felicity sich nicht klammern. Sie hatte alles verdorben.
Genau wie er befürchtet hatte, wünschte Hawthorn, jedem ihrer Worte zu glauben. Und das war genau das, wovor er sich hüten musste.
Ein unlösbares Rätsel! Und er war zu müde, um auch nur den Versuch zu machen, nach einer Lösung zu suchen.
In einem Punkt musste er ihr allerdings recht geben – vermutlich hatte sie ihn in dieser turbulenten Woche besser kennengelernt als in den Wochen ihrer Liebesaffäre in Bath. Er kannte sie jedenfalls wesentlich besser als vor der Reise nach Gretna.
Davon war er zumindest bis vor einer Stunde überzeugt gewesen.
„Angenommen, ich wäre bereit, das zu glauben, was du mir bisher erzählt hast.“ Er legte eine Pause ein und schluckte schwer. „Hast du mir seit unserer Abreise aus Bath nur etwas vorgemacht mit deinem Gerede über unsere Heirat? Woher soll ich wissen, dass du Ivys unschuldiges Spiel nicht als Vorwand benutzt hast, um mich endlich loszuwerden?“
„Damit war es mir sehr ernst. Ich habe lange über unsere Heirat nachgedacht.“ Sie klang sehr aufrichtig.
„Aber wieso hast du das Theater fortgesetzt, dass du keine Kinder bekommen könntest? Wenn ich daran denke, wie sehr ich mit mir selbst kämpfen musste! Aber schließlich habe ich mich damit abgefunden, niemals Vater zu werden. Ich habe mich für dich entschieden – trotzdem. Und das al les, während in dir unser gemeinsames Kind heranwächst. Das ist doch vollkommen absurd.“ Wäre er nicht so todmüde gewesen, er wäre jetzt aufgesprungen und hätte die Flucht ergriffen.
„Ich musste mich doch vergewissern, dass du mehr für mich empfindest, dass du in mir nicht nur die Mutter deiner Kinder siehst. Wenn du dich daran erinnerst, was ich dir über meine Ehe mit Percy berichtet habe, kannst du mich vielleicht verstehen.“
Morgen, wenn er erst ausgeschlafen war, nach einem kräftigen Frühstück und einer Kanne heißen Tee, wäre er gewiss fähig, über alles nachzudenken. Er würde genau überlegen, was zwischen ihm und Felicity in den vergangenen Wochen geschehen war. Dann könnte er gewiss Wahrheit und Lüge voneinander unterscheiden. Allerdings befürchtete er, nicht schlafen zu können, ehe er die bedrückenden Wirrnisse zufriedenstellend gelöst hätte.
Wie aus weiter Ferne meldete Felicitys Stimme sich wieder. „War das, was ich getan
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