Enwor 11 - Das elfte Buch
Gedanke versetzte ihm einen scharfen, schmerzhaften Stich. Obwohl er absolut nichts erkennen konnte, als er mit schnellen Schritten den feuchten Pfad zurück ins Dorf trabte, gaukelten ihm seine Erinnerungen die Bilder von Toten und Erschlagenen vor, aufgerissene Augen, gebrochen und blind und mit einem Ausdruck tiefsten Entsetzens, der sich noch über den Tod hinaus in seinen Blick gebrannt hatte. Nun näherte er sich wieder einem Ort der Gewalt, einem Ort, der ein sinnloses Morden und Schlachten erlebte, und es waren die Schreie Sterbender und Verwundeter, deren Wehklagen er hörte, von Menschen, die bald da sein würden, wo er eine unermessliche Ewigkeit gewesen war — wenn
er überhaupt irgendwo gewesen war,
hieß es, wenn da nicht bloß eine riesige große Lücke klaffte zwischen seinem früheren Leben und seinem jetzigen Zustand, der mit Leben wohl kaum richtig umschrieben war. Als er den Dorfplatz erreichte, wallte der Nebel in tiefen, dunklen Fetzen über einer gespenstischen Szene, zerrissen von einem plötzlich aufgekommenen Wind, der sich in Sekundenschnelle zum Sturm steigerte, so als hätte ihn jemand geschickt, um dem grässlichen Treiben zumindest teilweise den Schleier vom Gesicht zu reißen. Es war ein gnadenloser, durch und durch unwirklicher Kampf. Wie üblich griffen die Quorrl mit der Wut reißender Ungeheuer an und der Dorfplatz hallte wider vom Krachen und Bersten aufeinander prallender Menschen und geschuppter Reptilienmänner, von Wut- und Schmerzensschreien und dem Klirren von Stahl — aber der Nebel, obwohl bereits gelichtet, tauchte noch immer alles in sein graues, erstickendes Kleid. Selbst die Männer und Frauen, die nur wenige Schritte von ihm entfernt waren, wurden zu flachen Silhouetten; das feuchte Grau verschlang nicht nur die in unscheinbare Lumpen gekleideten Digger, sondern auch die unheimlichen Schemen der mit schier übermenschlicher Kraft ausgestatteten Kolosse.
Der Anblick jagte ihm einen Stich durchs Herz. Die Quorrl machten wahllos alles nieder, was ihnen vor die Schwerter kam, Männer, Frauen und Kinder, wahllos wie sinnlos wütende Ungeheuer, für die sie die Menschen hier ja auch hielten und zu denen sie vielleicht erst dann wurden, wenn man ihnen entsprechend begegnete. Die Schreie Sterbender vermischten sich mit dem Klirren von Waffen, mit dem Wiehern von Pferden, dem Trampeln von Füßen, den stumpfen Schlägen, mit denen einige Quorrl mit bloßer Faust ihre Gegner zerschmetterten, und mit dem Geräusch zusammenstürzender Hütten, durch die die Reptilienmänner in blinder Angriffslust stürzten, als seien sie aus Papier. Obwohl es mehr als nur ein Gemetzel war und sich einige Digger geradezu draufgängerisch und mit erstaunlichem Erfolg den wütenden Kolossen entgegenstellten, konnte am Ausgang des Kampfes kein Zweifel bestehen. Selbst wenn die Dorfbewohner ausgebildete Kämpfer gewesen wären, wären sie kaum in der Lage gewesen dem wütenden Ansturm Einhalt zu gebieten, geschweige denn ihn zurückzuschlagen. Doch so war es nicht viel mehr als ein sinnloses Aufbegehren gegen eine besondere Form der Naturgewalt, die unerbittlich über sie hinwegbrandete und dabei alles ins Verderben riss, was sich ihr entgegenstellte. Er sah kaum etwas von dem Schrecklichen, das vor ihm auf dem Dorfplatz geschah, nicht mehr als dunkle, hässliche Flecken, hier und da ein paar Tote oder Verwundete, vom Nebel zu formlosen dunklen Klumpen verschmolzen, aber vielleicht war gerade das das Schlimme, weil seine Phantasie Bilder schuf, Bilder, die tausendmal entsetzlicher waren, als es die Wirklichkeit jemals sein konnte: Bilder aus seiner Vergangenheit, von Menschen, die er geliebt hatte, als er noch zur Liebe fähig gewesen war, und die vor seinen Augen gestorben waren, zugrunde gegangen nicht zuletzt an dieser verdammten Rastlosigkeit, zu der ihn sein dunkler Bruder getrieben hatte.
Mit ein paar Schritten war er unter den Kämpfenden. Der Nebel war gerade weit genug zurückgewichen, um ihn mehrere Quorrl erkennen zu lassen, die mit Schwertschlägen von grausamer Wucht eine kleine Menschenmenge vor sich hertrieben, wie Hirten ein paar Schafe absondern mochten, die sie zu schlachten gedachten. Es war kein Kampf, es war nicht einmal ein Gemetzel, es war eine Verhöhnung der Digger, die nicht begriffen hatten, dass Quorrl mehr waren als nur ein paar stumpfsinnige, monströse Tiere, viel mehr, und dass es der Verhöhnung eines höheren Gleichgewichts gleichkam, wenn sie die Geschuppten
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