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Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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in der nächsten Sekunde in der kalten Unendlichkeit des Wassers starb oder das Ufer erreichte und vielleicht zu einem Gott oder dem Vernichter von Welten wurde, würde nichts im großen Gefüge des Kosmos ändern. Es spielte keine Rolle, was oder wer er war. Ob er existierte oder nicht. Und er wollte lieber kein als ein bedeutungsloses Leben führen.
    Und doch: Etwas zwang ihn weiterzuleben.
    Das Ufer war jetzt fast zum Greifen nahe, aber mit ihm auch die Gischt und die schwarzen Felsen, an denen sie zerstob. Eine vielfach gestaffelte Kette von Reißzähnen, so alt wie diese Welt und so tödlich wie Schwertklingen, säumte den Uferstreifen, den er manchmal, wenn sein Körper aus einem Wellenteil emporgeschleudert wurde, im Sternenlicht aufblitzen sah. Und selbst, wenn er wie durch ein Wunder den Klippen entging, so mochte ihn die Brandung gegen das steinige Ufer schleudern, das dahinter emporwuchs, schwarz, zerschunden und hier und da mit dem niedrig hängenden Himmel verschmelzend.
    Wie gnädig war dagegen die Finsternis gewesen, aus der er kam und in die er sich so sehr zurücksehnte. Es wäre so einfach, sich fallen zu lassen. Armen und Beinen einfach zu befehlen mit den sinnlosen Bewegungen aufzuhören, in die kalte Dunkelheit hinabzutauchen und einen letzten, erlösenden Atemzug zu nehmen.
    Nein!
    Er kannte die Bedeutung dieses Wortes nicht wirklich.
    Worte waren wie Menschen, vielleicht langlebiger, aber bedeutungslos. Trotzdem zwang es ihn weiterzumachen, vergrößerte die Kluft zwischen Körper und Geist noch mehr und machte aus bisher fast teilnahmslos nebeneinander existierenden Brüdern Feinde. Sein Körper bäumte sich auf, kämpfte mit verzweifelter Kraft gegen die Elemente und arbeitete sich mit schnellen, beinahe schon eleganten Schwimmbewegungen näher ans Ufer heran. Geschickt wie ein Fisch und mit einer Leichtigkeit, die ihn selbst überraschte, glitt er zwischen den Felsen hindurch, erspähte eine Lücke hier, einen Durchlass da, den Weg eines Wellenkamms über tödliche Felsen dort und kam dem eigentlichen Ufer immer näher. Das Donnern der Brecher, die gegen ihn und das felsige Ufer dahinter anrannten, schien das einzige Geräusch der Welt zu sein; vielleicht alles, was sie zusammenhielt.
    Schließlich aber versagten seine geliehenen Kräfte. Eine Welle schleuderte ihn gegen einen Fels, der unter dem schwarzen Wasser verborgen auf ihn gelauert hatte. Er hörte, wie sein Schrei zu einem keuchenden Seufzer wurde, mit dem das letzte bisschen Atemluft seinen Lungen entwich und fühlte sich herum und gleichzeitig in die Tiefe gewirbelt, gegen Sand und Felsen geschmettert und am Ende fast achtlos auf das Ufer hinaufgeworfen; ein Spielzeug, das seinen Reiz verloren hatte. Rings um ihn herum zerstob die Gischt zu Myriaden winziger Wassertropfen, die im schwa-chen Licht der Sterne wie Diamantstaub glitzerten. Der Boden vibrierte unter der Wucht der heranrollenden Brecher und immer wieder schlug das Wasser mit schäumenden Wellen über ihm zusammen, ließ ihn keuchen, würgen und mit kleinen, qualvollen Zügen nach Luft ringen.
    Doch er war gerettet.
    Die gleiche Felsbarriere, die ihn um ein Haar zerschmettert hätte, schützte ihn nun vor der ärgsten Wucht der Brandung; aus der tödlichen Gefahr war plötzlich ein Freund geworden, ein Wall, der dem tobenden Ungeheuer auf der anderen Seite, das wütend nach seiner Seele schrie, Einhalt gebot.
    Er blieb lange so liegen, möglicherweise Stunden, sicher aber viele, viele Minuten. Dieser Unterschied immerhin war ihm bewusst. Er hatte das Verstreichen der Zeit zu registrieren gelernt, ohne es überhaupt zu bemerken, so, wie er plötzlich um viele Dinge wusste, die es vor Momenten für ihn noch gar nicht gegeben hatte: Tag und Nacht, Leben und Tod, die Welt und die Götter, die beide auf ihre Art anders waren, als die Menschen sie sich vorstellten. Er selbst.
    Er wusste noch immer nicht, wer er war, aber er wusste, dass er war. Und dass er aus einem ganz bestimmten Grund hier war. Denn ebenso zweifelsfrei, wie er sich seiner Bedeutungslosigkeit bewusst war, wusste er zugleich auch, dass es nichts wirklich Sinnloses gab und alles einem bestimmten Zweck diente. Das eine schloss das andere nicht aus, bedingte es sogar. Jemand — etwas — hatte ihn hierher geschickt, um etwas zu tun. Er wusste nicht was, aber das brauchte er auch nicht. Vielleicht war die bloße Tatsache seines Hierseins schon genug.
    Seit er aufgehört hatte gegen das Meer zu kämpfen, begann

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