Enwor 11 - Das elfte Buch
pfiff, fand ihn der Digger dort vor, wo eben noch das Mädchen gewesen war; unmöglich jetzt noch den Hieb zu korrigieren. Der Mann taumelte, vom Schwung seiner eigenen Waffe nach vorne gerissen, direkt an Skar vorbei. Der Satai streckte den Fuß vor und sorgte damit dafür, dass der darüber stolpernde Mann endgültig das Gleichgewicht verlor und schwer zu Boden stürzte.
Die anderen Männer handelten entschlossener, als es ihm lieb war. Einer von ihnen, ein fast sieben Fuß großer und breitschultriger Hüne, stürzte sich mit einem Aufschrei auf ihn, mit weit ausgebreiteten Armen wie ein gigantischer Bär, der es gewohnt war, den Brustkorb seiner Opfer mühelos zu zerquetschen. Blitzschnell drehte sich Skar herum, versetzte dem Angreifer einen Tritt vor die Brust und zog gleichzeitig das Schwert aus der Scheide. Der Hüne schwankte leicht, ließ sich aber nicht von seinem Angriff abbringen. Mit einem Aufschrei stürzte er sich auf den Satai, bevor dieser sein
Tschekal
nach oben bringen konnte. Skar ließ den Angreifer so nah herankommen wie möglich, drehte sich dann in einer fließenden Bewegung zur Seite und riss das Knie hoch. Der Hüne schrie auf — diesmal vor Schmerz —, krümmte sich und taumelt haltlos ein paar Schritte weiter in den alles verschlingenden Nebel hinein. Dem dritten Mann ließ Skar nicht den Hauch einer Chance. Sein
Tschekal
strich mit spielerischer Leichtigkeit durch die Luf, streife das Schwert des Diggers und riss es mit einer gleichzeitig kraftvollen und eleganten Bewegung aus seiner vorbestimmten Bahn. Als ihm seine Waffe aus der Hand geprellt wurde, taumelte der Mann mit einem Aufschrei zurück und verschwand im grau wabernden Nichts.
Doch da war der Hüne schon wieder heran. Skar ließ das
Tschekal
einen Bogen beschreiben und schlug dem Koloss mit voller Wucht der breiten Seite seines Schwertes auf die Schläfe. Er verabscheute es, einen Mann zu töten, der ihn waffenlos angriff, aber in diesem Fall wäre er vielleicht besser beraten gewesen es zu tun. Denn statt zu Boden zu stürzen, torkelte der Hüne mit grotesk rudernden Armen weiter auf ihn zu und erwischte ihn mit seinem Handrücken, der plötzlich hochzuckte. Skar hatte das Gefühl, vom Huf eines Pferdes getroffen zu werden; er hatte den Schlag nicht kommen sehen und war deshalb nicht mehr in der Lage, seine Energie durch ein Wegtauch-Manöver verpuffen zu lassen. Während er zurücktaumelte öffnete sich seine linke Hand, die während des ganzen schnellen Kampfs Esanna fest umklammert gehalten hatte, und ließ das Mädchen ins graue Wallen entkommen.
Hätten ihn Roun und seine Kumpane nicht so erbarmungslos angegriffen, dann hätte Skar wohl ganz automatisch Partei für die Digger ergriffen und den Kampf gegen die Quorrl aufgenommen, ob er nun eine Chance gehabt hätte oder nicht. Doch so fühlte er sich keiner Seite verpflichtet: weder den Schuppenkriegern, die mit dem Angriff auf das Dorf wohl nichts weiter taten, als ihr Territorium zu verteidigen, und schon gar nicht den Diggern, die hier auf der Grenze zum Niemandsland nach etwas suchten, dass für sie wichtiger als das eigene Leben zu sein schien. Es war nicht sein Kampf, aber es war auch nichts, was ihn unberührt ließ, nicht das Schreien und Toben und Sterben, dass noch viele ewig lang dauernde Minuten anhalten würde, bis auch der letzte Digger niedergemacht worden war, und nicht die Verzweiflung von Müttern und Kindern, die unschuldig in den Strudel der Gewalt mit hineingezogen wurden.
Es war sinnlos, in dem Chaos nach Esanna suchen zu wollen, und es war Schwachsinn, nicht sofort das Weite zu suchen und anderenorts nach der Antwort auf die bohrende Frage zu suchen, warum er wieder geboren war und:
wer zum Teufel dahinter steckte.
Und trotzdem… er hatte kaum die Grenze des Dorfes erreicht, als er auch schon wieder kehrtmachte, so als ob das Schlachten und Töten eine magische Anziehungskraft auf ihn ausüben würde, der er sich nicht entziehen konnte. Schon von weitem wehte der charakteristische Geruch des Todes mit dem Wind zu ihm heran: das süßliche, schwere Aroma von Blut und Vernichtung, das er schon so oft aufgenommen hatte; in dieser anderen Welt, die ihn ausgespuckt hatte in die Schwärze allumfassenden Vergessens, die ihnen allen zuteil wurde, wenn die Zeit gekommen war — oder war dort, jenseits dessen, was Menschen als ihr Leben zu betrachten pflegten, noch etwas anderes gewesen, etwas gänzlich Anderes und doch nur allzu Vertrautes?
Dieser
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