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Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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harmlos anmutenden Tasten und Glibbern entkommen wollte. Um ihn herum war ein Stöhnen, Rascheln, Schaben und Wimmern, eine Mischung unterschiedlichster Laute der Angreifer und ihrer Opfer, aber keine Geräusche, die auch nur im Entferntesten auf einen regelrechten Kampf der Nahrak gegen die schwarze Brut hindeuteten. Was auch immer passiert war: Die erste Angriffswelle der
Khtaam
schien beendet zu sein. Was nicht hieß, dass die nächste nicht schon bevorstand.
    Das sich windende, schlängelnde Etwas, das sich nicht hatte abschütteln lassen und nach wie vor in seine Nase vorzustoßen versuchte, schnellte mit einer kraftvollen Bewegung vor. Skar schrie auf. Diesmal gelang es ihm, den Tentakel zu packen. Aber das Ding hatte nicht vor so schnell aufzugeben. Die abstoßende Mischung aus Saugfüßen und spitzen Zähnen krallte sich in ihm ein, saugte an seinem Unterkiefer und durchbohrte schmerzhaft seine Oberlippe. Skar spannte seine gewaltigen Muskeln an und ließ ihre gesamte Energie in einer einzigen Bewegung frei.
    Er hatte das Gefühl, als ob er sich selbst einen Teil seines Gesichts herausreißen würde. Seine durchstochene und mittlerweile heftig blutende Oberlippe dehnte sich weit über den Punkt des Erträglichen hinaus, so als wäre sie bereits mehr in dem Peitschenarm verwurzelt als in seinem eigenen Körper. Sein eigener Schrei mischte sich mit dem zischenden Geräusch von dem glitschigen Etwas, zu dem der Tentakel gehörte, und einen winzigen Augenblick entbrannte ein absurder Kampf um seine Oberlippe, die beide Seiten nicht herzugeben bereit waren.
    Und wenn er sich dabei seine Lippe ausreißen würde, er musste sich von dem gierigen Peitschententakel befreien, das bereits wieder wild um seine Nase schlängelte und nichts unversucht lassen würde, um von ihm Besitz zu ergreifen. Es war in ihm kein Platz mehr für Schmerzempfinden oder Zaudern, er war nur noch personifizierter Wille und die Kraft, die diesen Willen in die Tat umsetzen würde, jetzt, hier und ohne Zögern.
    Mit einem gellenden Schrei schleuderte er den Tentakel von sich. Schwarze, schleimige Flüssigkeit vermischte sich mit seinem eigenen Blut, das in einer spitzen Fontäne dem Peitschenarm nachjagte. Er stöhnte laut auf und krümmte sich zusammen, als seine überdehnte Lippe wieder zurückschnellte und für einen Augenblick schoss ihm der vollkommen nebensächliche und verrückte Gedanke durch den Kopf, dass er nun in nächster Zeit wohl kaum noch ein Mädchen würde küssen können…
    ESANNA.
    Der Gedanke an sie riss den Schleier auseinander, der sich wieder auf sein Bewusstsein gesenkt hatte. Aus trüben Augen erkannte er, dass das passiert war, was er befürchtet hatte: Das Mädchen war unter den Angriffen zusammengebrochen und lag nur ein paar Schritte entfernt von ihm. Mühsam schleppte er sich zu ihr hinüber, vorbei an ei-nem bereits angeschlagenen Nahrak, der mit der Abwehr begehrlicher, hektisch zuckender Peitschenarme beschäftigt war.
    Esanna hatte nicht so viel Glück wie der Nahrak gehabt.
    Er kniete neben ihr in der übel riechenden, sich ringelnden, matschigen Masse, die mit tausend Fingern nach ihm zu greifen schien. Er achtete nicht darauf, bemerkte sie kaum. Das, was dem Mädchen zugestoßen war, schockierte ihn zu sehr.
    Zuerst hatte er geglaubt, dass Esanna unter dem Angriff Dutzender von
Khtaäm
in die Knie gegangen wäre. Doch das stimmte nicht: Die Nachtmahre hatten sich erschreckend verändert. Es waren keine einzelnen Lebewesen mehr, sondern ein Kollektiv, ähnlich der übel riechenden Masse, in der er gelegen hatte, als er aus seiner Ohnmacht erwacht war. Aber anders als er war Esanna über und über mit der schwarzen, schlierigen Schicht bedeckt,
eingehüllt
wie in ein grausiges lebendiges Leichentuch, das sich immer enger um sie schlang. In dem ganzen Krabbeln, Zappeln und Schlängeln glaubte Skar für einen Moment so etwas wie eine einzige zielgerichtete Intelligenz zu erkennen, etwas Gewaltiges, Großes und so Unverständliches, dass ihn allein der Zipfel des Begreifens wie unter einer schweren Last aufstöhnen ließ.
    Es war schockierend.
    Er hatte keine Ahnung, wie er Esanna retten könnte. Ihre schwarzen Haare vermischten sich mit der noch weitaus dunkleren, zuckenden Masse, ansonsten erkannte er kaum mehr als ein Aufblinken nackter Haut an den Hand- und Fußgelenken und an einer einzigen noch freien Stelle im Genick. Der Körper des Mädchens bewegte sich im gleichen Rhythmus wie ihr lebendiges

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