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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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über die Natur, eine Absage an alles, was er jemals über Anziehungskraft und Statik gehört hatte.
    Schließlich war es El-tra, der das Schweigen brach. »Wir sollten uns weiter von der Schlucht zurückziehen«, sagte er mit dem ihm eigenen Pragmatismus. »Wenn es Wachen gibt, so sehen sie uns zu früh.«
    Skar löste widerwillig den Blick von der Brücke und sah nach Westen. Sie waren, ohne daß er es bisher bewußt wahrgenommen hätte, seit Stunden über vollkommen flaches, deckungsloses Gelände geritten, aber es war nur ein Streifen, der — wenn auch Meilen breit — sich doch eng an die Konturen der Hellgor anschmiegte und ihr folgte wie grüner Uferbewuchs dem Lauf eines Flusses.
    Zur Rechten, jenseits der polierten dunkelgrünen Glasebene, zogen sich die zerborstenen Ruinen Tuans in gleichbleibender Monotonie dahin. Dort würden sie sich der Brücke nähern können, ohne zu früh gesehen zu werden.
    »Könnt ihr ... feststellen, ob sie bewacht ist?« fragte er unsicher.
    El-tra wandte den Blick, sah ihn an und schüttelte nach einer merklichen Pause den Kopf. »Wir können sehen, was war und was ist«, erklärte er geheimnisvoll. »Nicht was sein wird.«
    Skar grinste säuerlich. »Wenn das, was du jetzt so umständlich erklärt hast, nein heißen soll, dann stimme ich dir zu«, sagte er. »Reiten wir ein Stück nach Westen.«
    El-tra gab einen Laut von sich, der Ähnlichkeit mit einem Lachen hatte. »Das soll es heißen«, bestätigte er.
    Sie wichen im rechten Winkel von ihrem bisherigen Weg ab und ritten zurück in die Alptraumlandschaft, der sie vor wenigen Stunden erst entronnen waren. Der Wind blies ihnen jetzt in die Gesichter, und schon aus diesem Grunde war eine Unterhaltung unmöglich. Sie legten den Weg schweigend zurück, langsam, aber mit verbissener Stetigkeit, und bewegten sich auch dann noch weiter von der Hellgor fort, als sich die Reihe der geschwärzten Ruinen wie eine dunkle Festungsmauer hinter ihnen geschlossen hatte; ein Wall, der nicht dem Ansturm des Feuers, wohl aber dem der Zeit standgehalten hatte. Erst, als El-tra sicher war, daß ihre Bewegungen in dem schwarzgrünen Labyrinth der toten Stadt nicht mehr auszumachen sein würden, schwenkten sie abermals herum und ritten wieder parallel zur Hellgor. Das gewaltige schwarze Gespinst der Brücke wanderte langsam auf sie zu, schwang schließlich, der Krümmung des Weges, den sie nahmen folgend, ein Stück zurück und lag dann neben ihnen.
    El-tra zügelte sein Pferd, deutete wahllos auf eine niedrige, halbrunde Mauer und winkte mit der anderen Hand seinen Bruder zu sich heran.
    »Wir reiten voraus, um den Weg zu erkunden«, sagte er. »Skar und Gowenna bleiben zurück. Ruht euch aus. Vor Dunkelwerden können wir nicht weiter.«
    Diesmal war es kein Vorschlag, begriff Skar, sondern ein Befehl, nicht aus einem Führungsanspruch geboren, sondern aus dem Wissen, daß dieser Weg der einzig mögliche war. Zwischen ihnen und der Schlucht lag noch immer ein zwei Meilen breiter, deckungsloser Streifen; selbst wenn sie das Letzte von ihren Pferden verlangten, war er zu breit, um die Wächter der Brücke —wenn es sie gab — noch überraschen zu können. Skar stieg kommentarlos aus dem Sattel, führte das Pferd in einen windgeschützten Winkel und hockte sich erschöpft auf den Boden. Gowenna unterhielt sich leise mit einem der Sumpfmänner, aber Skar hätte auch nicht hingehört, wenn er ihre Sprache verstanden hätte. Mit einem Mal schlug die Müdigkeit mit aller Kraft zu; eine bleierne, eisige Decke, die sich auf ihn herabsenkte und seine Glieder lähmte. Sie waren einen Tag, eine Nacht und einen weiteren halben Tag unterwegs gewesen, und er spürte plötzlich jede Meile, die sie zurückgelegt hatten.
    Die beiden Sumpfmänner verschwanden, und er blieb allein mit Gowenna zurück. Sie sprachen nicht miteinander; nicht aus Feindschaft oder Furcht, sondern einfach, weil es nichts zu bereden gab. Die unzähligen Stunden angespannten, lauernden Schweigens, die zwischen ihnen und dem Felstrichter, in dem ihre Odyssee begonnen hatte, lagen, hatten alles ausgedrückt, was sie hätten sagen können.
    Er schloß die Augen, lehnte sich müde mit dem Rücken gegen den glasierten Fels und lauschte in sich hinein. Aber auch in ihm war nur Schweigen. Sein Dunkler Bruder schien fort zu sein. Er hatte ihn gespürt, einmal, aber auch da war es anders gewesen als die Male zuvor, leiser, müder — erschöpft, als hätte die dunkle Kraft, die irgendwo in

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