Enwor 3 - Das tote Land
einer hufeisenförmigen, nach Osten offenen Mauer zu rasten und bis Sonnenaufgang zu schlafen. Aber Skar fand keine Ruhe, trotz der bleiernen Müdigkeit, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Er schlief ein, wachte jedoch schon nach kurzem wieder auf und warf sich fast eine Stunde unruhig hin und her, ehe er resignierend aufstand, um El-tra bei seiner Nachtwache Gesellschaft zu leisten.
Er war nicht einmal sonderlich überrascht, als er nicht nur beide Sumpfmänner, sondern auch Gowenna vorfand. Auch die anderen mußten es spüren: diese seltsame, knisternde Unruhe, die nicht nur in ihnen, sondern wie ein übler Hauch über dem gesamten Land zu liegen schien; ein schwer zu definierendes Gefühl der Erwartung, als hielte die Schöpfung selbst den Atem an und ducke sich unter der Vorahnung kommenden Unheils.
Unsinn, dachte er wütend. Hier ist nichts. Nur wir.
»Bist du sicher?« fragte Gowenna.
Skar schrak zusammen. Er hatte den letzten Gedanken laut ausgesprochen, ohne es selbst zu merken — ein deutliches Anzeichen dafür, wie erschöpft er war.
»Natürlich«, antwortete er verlegen. »Warum?«
Gowenna hob kaum merklich die Schultern, drehte sich weg und sah lange nach Süden. Der Schatten der Hellgor war mit der Nacht verschmolzen, aber sie mußten sie nicht sehen, um zu wissen, daß sie da war.
»Spürst du es nicht?« flüsterte sie nach einer Weile.
»Was?«
Sie sah ihn an; lächelte. Die Nacht breitete einen Schleier aus barmherzigen Schatten über ihr zerfressenes Gesicht.
»Nichts«, murmelte sie nach einer Weile. »Es ist... nichts. Ich frage mich nur«, fuhr sie nach einer spürbaren Pause mit veränderter Stimme fort, »warum wir nicht weiter reiten. So wie es aussieht, können wir sowieso nicht schlafen.«
»Die Pferde brauchen Ruhe«, wandte El-tra ein. »Wir sollten uns überlegen, ob wir nicht einen oder zwei Tage hierbleiben. Wir werden nicht mehr viel Zeit zum Schlafen und Ruhen haben, wenn wir erst einmal auf der anderen Seite sind.«
Gowenna machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn wir auf der anderen Seite das finden, was ich vermute«, sagte sie, »können wir frische Pferde stehlen. Wenn nicht, spielt es keine Rolle mehr, ob wir einen Tag früher oder später zu Fuß gehen müssen. Außerdem haben wir kein Wasser mehr.«
Skar sah instinktiv zu den Packpferden hinüber. Gowenna hatte natürlich recht — sie hatten noch immer genug Fleisch, um eine weitere Woche durchhalten zu können, ohne hungern zu müssen, aber das Wasser würde zu einem Problem werden. Sie hatten keine Quellen gefunden, nur ein paar Brunnen, die aber nichts als gläserne, vielleicht schon vor Jahrtausenden ausgetrocknete Schächte darstellten, auf deren Grund nur Staub und zermahlener Stein lag. El-tra hatte versucht, Schnee zu sammeln und zu schmelzen. Es war nicht gegangen. Sie hatten es vorher nicht gemerkt, durchgefroren und gebeutelt vom Wind, wie sie waren, aber der Boden Tuans war warm. Nicht so warm, daß sie es durch ihre Stiefelsohlen oder die Decken, auf denen sie schliefen, gemerkt hätten, aber warm genug, um den pulverfeinen Schnee zu schmelzen, ehe er eine Decke bilden konnte. Nur hier und da hatten sich in Winkeln kleine Schneeverwehungen gebildet, wo der Sturm die weißen Kristalle rascher herantrug, als sie zu Wasser zerfallen konnten, aber das daraus gewonnene Schmelzwasser hatte sich als ungenießbar erwiesen. Es schmeckte bitter und hinterließ ein pelziges Gefühl auf der Zunge. Nicht einmal die Pferde hatten es getrunken.
»Wir können laufen und die Pferde neben uns hergehen lassen«, schlug Skar vor. »Gowenna hat recht — wir können sowieso nicht schlafen. Und wenn die Müdigkeit zu groß wird, suchen wir uns einen anderen Platz.«
Sein Vorschlag schien El-tra nicht zu begeistern, aber der Sumpfmann wandte sich trotzdem gehorsam um, um ihre Decken und Sättel zu holen, während sein Bruder wortlos zu den Pferden hinüberging.
Gowenna wartete, bis die beiden Schattenmänner außer Hörweite waren.
»Danke«, sagte sie.
Skar sah verwundert auf. »Wofür?«
»Daß du mir zugestimmt hast«, sagte Gowenna mit einem leisen, verzeihenden Lächeln.
»Ich verstehe nicht —«
»Es ist nicht so ganz einfach, auch noch das letzte zu verlieren, dessen man sich sicher glaubte«, fuhr Gowenna fort, ohne auf seinen Einwurf einzugehen. »El-tra und seine Brüder gehören mir seit zehn Jahren. Aber ich sollte vielleicht besser sagen, sie gehörten mir.«
»Gehörten?« wiederholte
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