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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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brodelnden Schwarz versank wie ein bizarres Tier der Vorzeit in einem Teersee; im Tode vereint mit seinem Opfer. Skar wollte zurückweichen, aber die gleiche Kraft, die ihn hielt, hinderte ihn auch daran und zwang ihn, weiter in die Tiefe zu blicken und dem qualvollen Sterben des Dronte zuzusehen, und
    »Skar?«
    gleichzeitig spürte er, daß diese Bilder mehr waren als ein bloßer Traum, daß es eine Botschaft, eine Warnung oder vielleicht auch nur der Versuch einer Ver-
    »Skar! Wach auf — es ist Zeit.«
    ständigung war, einer Verständigung über Abgründe hinweg, die tiefer waren als alles, worüber...
    Eine Hand klatschte in sein Gesicht. Der Schlag war nicht fest, schmerzte nicht einmal, aber er weckte ihn endgültig, und die Scheinrealität des Traumes wich der flackernden roten Kälte der Höhle. Er blinzelte, sah — mit plötzlichem Schrecken — zum Ausgang und stellte erleichtert fest, daß es draußen noch hell war. Für den Bruchteil eines Atemzuges hatte sich die bizarre Vorstellung in ihm festgesetzt, daß er den Tag verschlafen haben könnte und draußen wieder Nacht war.
    Die letzte Nacht.
    Del grinste. »Endlich aufgewacht?«
    »Wie lange... habe ich geschlafen?« murmelte Skar benommen. Es fiel ihm schwer, ganz wach zu werden. Der Traum war sofort gekommen, direkt und unmittelbar und ohne den Umweg über den Schlaf, der sonst die Pforten zu diesem verschlossenen Bereich der Seele öffnete. Für einen Moment versuchte sich Skar fast verzweifelt an die Bilder zu klammern, die seinen Geist erfüllt hatten, versuchte diesen Traum mit Gewalt zurückzuzwingen, wußte er doch, daß die Lösung aller Rätsel darin lag. Aber das Bild verblaßte, versank in einem Strudel von Visionen und durcheinanderwirbelnden Gedankenfetzen; Fragmenten von Gesprächen und Bildern, die er erlebt und gesehen hatte. Für einen Moment verspürte er fast Zorn auf Del, daß er ihn geweckt hatte.
    »Nicht lange«, antwortete Del. »Nur wenige Minuten. Aber ich dachte mir, daß du den Schlaf brauchst. Du hast sowenig Ruhe wie ich bekommen, und wir haben einen anstrengenden Tag vor uns.« Plötzlich grinste er wieder. »So ist das, wenn man alt wird, Meister«, spöttelte er. »Ein Nickerchen hier und da...«
    Skar blieb ernst. Mühsam stemmte er sich hoch, wollte nach seinen Decken greifen und merkte erst jetzt, daß Del sein Bündel bereits geschnürt und nur den dicken Wollmantel offen liegengelassen hatte. Er nickte, stumm und dankbar, legte sich das Kleidungsstück über die Schultern und sah sich um. Del hatte ihn wirklich bis zum letzten möglichen Augenblick ruhen lassen: Die Männer waren abmarschbereit, die Fackeln bis auf eine letzte, die so weit heruntergebrannt war, daß sich ein Mitnehmen nicht mehr lohnte, gelöscht. Er drehte sich zu Gowenna um. Sie war wach und hatte sich an der Wand aufgesetzt. Ihr Atem ging schnell und so hart, daß er das Heben und Senken ihrer Brust selbst durch die beiden Mäntel hindurch sehen konnte, die sie —oder Del — übergestreift hatte. Ihr Gesicht war fast vollständig unter einer tief in die Stirn gezogenen Kapuze verborgen; nur die Augen und ein Teil von Wangen und Stirn waren überhaupt sichtbar. Es wirkte seltsam bleich, blutleer und weiß wie der Schnee draußen vor der Höhle. Hätten ihre Mundwinkel nicht von Zeit zu Zeit gezuckt, hätte er sie für tot gehalten.
    »Ich werde sie tragen«, erklärte Del.
    Skar runzelte die Stirn. Er wußte, wie unglaublich stark Del war, aber sie hatten Strapazen hinter — und vielleicht noch vor — sich, die jeder Beschreibung spotteten. »Bist du sicher, daß du es schaffst?« fragte er. »Die Männer werden dir nicht helfen können. Und ich auch nicht«, fügte er nach einer merklichen Pause hinzu.
    Del nickte. »Ich weiß«, sagte er gleichmütig. »Aber es geht schon.
    Sie ist nicht viel schwerer als Vela.«
    »Das ist nicht nötig, Del. Ich kann gehen.«
    Skar drehte sich überrascht um. Del hatte leise gesprochen, und nach dem leeren Blick ihrer Augen hatte er nicht geglaubt, daß Gowenna wirklich etwas von ihrer Umgebung wahrnahm. Aber sie war wach, und der Schmerz in ihrem Blick war nicht von der Art, wie man ihm im Schlaf oder im Koma begegnet. Zögernd ließ er sich vor ihr in die Hocke nieder, sah ihr einen Moment durchdringend in die Augen und wiegte den Kopf.
    »Du bist also wach«, stellte er fest. »Hast du Schmerzen?«
    Sie nickte. »Ja. Aber es ist... nicht schlimm.« Ihre Stimme klang brüchig. »Ich werde

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