Enwor 5 - Das schwarze Schiff
seinen Zügen gesehen: dieses rasche, nur an Del zu beobachtende Nicken und die Art, in der sich seine Finger immer wieder um den Griff seiner Waffe schlossen. Es war Dels ganz persönliche Art, sich (auf einen Kampf?) vorzubereiten. Mit seiner Nervosität fertig zu werden. Er ahnte, was in dem jungen Satai vorging. Es war schlimm genug, zwischen den bizarren weißen Gebilden draußen auf dem Eis herumgehen zu müssen. Ins Innere dieses Monstrums aus Eis und erstarrter Furcht vordringen zu sollen war ein Alptraum. Und für einen kurzen, ganz kurzen Moment glaubte er dem alten Del gegenüberzustehen, spürte er einen schwachen Hauch dieses vertrauten, warmen Gefühles, das sie einst verbunden hatte.
»Komm.«
Das Wort ließ die Illusion zerplatzen. Skar nickte, kramte eine Fak-kel aus seinem Bündel und suchte nach Feuersteinen. Er fand keine, hob resignierend die Schultern und legte die Fackel zurück. Sie würden nicht so tief in das Gebäude vordringen, um sie zu brauchen.
Sie ließen Gowenna und die Freisegler zurück und machten sich auf den Weg ins Innere des blitzenden Riesenkristalles. »Du weißt schon, daß es nicht viel nutzt, ziellos hier herumzustolpern, nicht?« fragte Del.
Skar nickte. Er wußte selbst nicht so recht, was er zu finden hoffte-vielleicht wollte er einfach nur allein sein. Und er hatte Angst gehabt, einzuschlafen, sobald er sich ruhig hinsetzte.
Nach einer Weile wurde der Boden uneben. Die Decke senkte sich, so daß bald nicht nur Del, sondern auch er gebückt gehen mußten und im Boden gähnten jetzt Löcher, zu perfekt gerundet, um zufällig entstanden zu sein, aber nur wenige Fuß tief. Dann erreichten sie die gegenüberliegende Wand. Skar blieb stehen, drehte sich um und sah zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Die Männer waren nicht mehr zu sehen, obwohl sie nur ein paar Dutzend Schritte zurückgelegt hatten.
»Da vorne ist eine Tür«, sagte Del. Skar blickte in die Richtung, in die er wies. Es war ein niedriger, dreieckiger Durchgang, hinter dem die ersten Stufen einer steil in die Tiefe führenden Treppe sichtbar wurden. Sie gingen weiter, blieben aber erneut stehen, als sie den Durchgang erreicht hatten. Del spielte nervös mit seiner Waffe, und das flackernde Licht verlieh seinen Zügen Bewegung, die nicht da war. Skar setzte dazu an, etwas zu sagen, aber Del schüttelte hastig den Kopf; Skar schwieg und lauschte.
Vor ihnen, auf der anderen Seite der schimmernden Wand aus Weiß und finsterer Magie, war etwas. Der Raum dort drüben war nicht still und verlassen, sondern voller Dinge, die nicht dorthin gehörten. Es war nichts Greifbares, nur Geräusche, die die Barriere aus Schweigen unterliefen und vielleicht natürlichen Ursprunges waren, zu denen seine Phantasie aber Bilder erschuf, ohne daß er sich dagegen wehren konnte: Laute wie von fernen Blitzen, die in Wälder fuhren, ein Krachen und Bersten wie von zersplitterndem Eis oder von Kontinenten, die sich aneinanderrieben, das Heulen des Sturmes, das er draußen vermißt hatte und das plötzlich wie ein mühsames Atmen klang. Ein Pochen und Schlagen wie das eines gewaltigen bösen Herzens...
Skar schüttelte die Bilder mühsam ab und versuchte sich einzureden, daß es nichts als Einbildung war, vielleicht ein letzter Schatten des Traumes, den er am Morgen gehabt hatte und der ihm in die Wirklichkeit hinüber gefolgt war und seine Sinne narrte. Aber als er sich auf-richtete und in Dels Gesicht sah, erkannte er, daß er diesmal nicht allein mit seiner Furcht war, daß auch er es spürte und daß es ihn ebenso erschreckte. Vielleicht mehr. Er hatte etwas die ganze Zeit über gefühlt, den Ruf des unseligen Geistes, der diesem Land innewohnte.
Für Del war die Stimme dieses finsteren Gottes neu und doppelt erschreckend.
Del machte einen einzelnen Schritt, blieb wieder stehen und zog sein Schwert. Der Stahl fing das weiße Licht des Eises auf und warf es verzerrt zurück an die Wand; für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Skar, durch das milchige Eis hindurchsehen zu können, etwas Großes, Gigantisches und Böses zu erkennen, das dort drüben lauerte, mit der Geduld eines finsteren Rachegottes wartete und lauerte...
Skar atmete hörbar ein. Das Flüstern in seinem Inneren wurde lauter, drängender, hatte jetzt eindeutig den Charakter einer Warnung.
Für einen Moment ließen die flackernden Lichtblitze die Umrisse seines eigenen Gesichtes auf der Wand vor ihm entstehen. Dann verging es, das Eis war
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