Enwor 5 - Das schwarze Schiff
Mann ein guter Freund war und der gestorben ist, verstehst du?«
Skar schwieg verblüfft. Er wußte, daß Gowenna älter war, als sie auf den ersten Blick wirkte — dreißig, vielleicht darüber, und er hatte auch Brad auf fast das gleiche Alter geschätzt. Nach seinen Worten war das unmöglich. Aber sein massiger Körperbau, der wild wuchernde Bart und das bis auf die Schultern reichende, volle Haar des Veden, und seine ernste Art, zu reden und sich zu geben, machten es schwer, sein Alter zu bestimmen.
»Sie kannte auch uns«, fuhr Brad fort, als hätte er seine Gedanken gelesen. Wahrscheinlich stand seine Verwunderung deutlich auf seinem Gesicht geschrieben: »Rayan hat erzählt, daß sie mich auf den Knien geschaukelt hat, als ich gerade drei oder vier war. Sie war damals selbst noch ein halbes Kind. Ich kann mich nicht daran erinnern.«
»Und sie trug einen anderen Namen«, murmelte Skar.
Diesmal war es Brad, der erstaunt nickte. »Kiina«, sagte er. »Woher weißt du das? Selbst Rayan hat es nur erfahren, weil sie sich einmal versprochen hat.«
»Das ist eine lange Geschichte«, versuchte Skar auszuweichen. »Vielleicht erzähle ich sie dir, wenn wir heil hier herauskommen.
Wenn du sie dann noch hören willst.«
»Ich glaube nicht«, antwortete Brad, und irgendwie spürte Skar, daß dieses Nein endgültig war. Der Vede hatte ihm Vertrauen entgegengebracht, eine Winzigkeit nur, und doch unendlich viel für seine Verhältnisse. Er würde jetzt nicht weiter reden, und später, wenn sie zurück an Bord der SHAROKAAN waren, würde er wieder zu dem verschlossenen, abweisenden Mann werden, als den Skar und wahrscheinlich auch die Männer unten auf dem Schiff, vielleicht sogar sein Vater, ihn kannten.
Er seufzte, fuhr sich mit der Hand über die Augen und sah wieder auf den Ozean hinunter.
»Wir sind zu wenige«, stellte er fest.
Brad nickte. Skar spürte die Bewegung, obwohl sein Blick starr auf den drohenden schwarzen Schatten unter ihnen gerichtet blieb.
»Du hast recht«, murmelte der Vede. »Nur zwei gegen einen Feind, der noch niemals geschlagen wurde. Aber die Männer werden unten auf dem Schiff gebraucht.« Er wandte den Kopf und lächelte flüchtig; eine bedeutungslose Geste, in der keine Wärme, sondern wenn überhaupt ein Gefühl, dann höchstens Resignation und ein Anflug von Fatalismus lagen. In seinem ganzen Benehmen lag eine schwer zu fassende Art von Trauer; seine Bewegungen waren um eine Winzigkeit langsamer als gewohnt, seine Stimme um eine Spur leiser, sein Lachen nicht echt genug. »Die Männer werden unten gebraucht«, wiederholte er noch einmal. »Unsere Chancen stehen nicht schlecht, aber Rayan wird jede Schwerthand brauchen, wenn es doch zum Kampf kommen sollte.«
»Du rechnest damit?«
Brad schüttelte den Kopf. »Nein. Aber wir müssen auch mit dem Unberechenbaren rechnen. Das da unten ist kein dahergelaufener Pirat. Es ist ein Dronte.« Er sprach das Wort auf sonderbare Art aus, nicht so voller Haß, wie es Gowenna und Del und auch Skar selbst getan hatten, sondern beinahe respektvoll.
»Letztlich sind sie auch nur Menschen«, bemerkte Skar.
In Brads Augen erschien ein seltsamer, schwer zu deutender Ausdruck. »Bist du sicher?« fragte er leise.
Skar blinzelte irritiert. Für einen Moment hielt er dem Blick des Veden stand, dann wandte er mit einem Ruck den Kopf und starrte wieder in die Tiefe. Brads Worte hatten ihn erschreckt. Vielleicht, weil er aussprach, was auch Skar die ganze Zeit über fühlte. Nur hatte er den Gedanken angstvoll vertrieben. Der Mordsegler zog dicht unter ihnen vorbei, dicht genug, daß er sich einbilden konnte, die Mastspitze mit der ausgestreckten Hand berühren zu können. Sein Blick tastete an der dunklen Linie des Hauptmastes herunter, glitt über die bizarren Umrisse des geblähten fünfeckigen Segels und verlor sich zwischen huschenden Schatten und ungreifbarem Nichts. Einen Moment lang glaubte er, eine schlanke, schwarze Gestalt auf dem Achterdeck zu entdecken, aber als er genauer hinsah, war sie verschwunden, und er war sich nicht sicher, ob sie wirklich da oder bloße Einbildung gewesen war.
»Wenigstens dieses Geheimnis werden wir lösen«, murmelte er nach einer Weile.
Brad nickte. »Dies und eine Frage, die mich schon lange bewegt.« Skar wartete darauf, daß er weiterreden würde, aber er tat es nicht, und so fragte er: »Welche?«
»Die Frage, ob sie wirklich unbesiegbar sind, Skar.« Brad seufzte und ließ sich zurücksinken und
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