Enwor 5 - Das schwarze Schiff
in schmerzhaftem Weiß auf, als der Eiskessel das Feuer des Geschosses reflektierte. Skar hatte den Eindruck, direkt am Rande eines ausbrechenden Vulkans zu stehen. Dann erlosch das Licht übergangslos. Ein dumpfer Schlag wehte zu ihnen herauf, ein Laut, als schlüge ein gigantischer Hammer auf einen noch gigantischeren Amboß, dann ertönte ein machtvolles Zischen, und eine ungeheure Dampfwolke verdunkelte den Himmel.
Skar wandte sich geblendet ab. »Du hast recht!« brüllte er über das Zischen und Brodeln der Dampfexplosion hinweg. »Er weiß, daß wir hier sind!«
Brad sagte etwas, das vom Peitschen eines dritten Schusses übertönt wurde, und begann ungehemmt in seiner Heimatsprache vor sich hin zu fluchen. Das Feuer hielt weiter an. Während der nächsten halben Stunde verwandelte sich die Eisinsel in ein Chaos aus flackerndem Licht, Hitze und infernalischem Lärm. Der Dronte schleuderte mehr als drei Dutzend Brandgeschosse über ihre Köpfe hinweg. Der See verschwand unter einer brodelnden, von grellen Blitzen durchzuckten Dampfwolke. Das Eis bebte, hob sich und stöhnte wie ein gewaltiges lebendes Wesen. Die Hitze ließ die Kanten der Eiswände abschmelzen und rund werden, und die Spritzer der brennenden Flüssigkeit, die wie weißglühende lodernde Regentropfen herabrieselten, verwandelten das Eis in eine bizarre Kraterlandschaft. Meterbreite Risse entstanden, Sprünge rannten wie kleine lebende Wesen in unberechenbaren Richtungen durch das Eis und spalteten die Kanalwände, klaffende Wunden, aus denen Wasser und Dampf statt Blut sprudelten und die gierig wie aufgerissene Mäuler nach Brad und Skar schnappten. Überall zischten kochende Dampfgeysire hoch.
Dann, genauso plötzlich, wie der Angriff begonnen hatte, hörte das Feuer auf. Der Himmel war wieder klar, und nur vom See her klang noch das Krachen berstenden Eises und das Zischen von kochendem Wasser zu ihnen herauf.
Brad und Skar näherten sich dem Kanal mit äußerster Vorsicht. Das geschundene Eis schien unter ihrem Gewicht aufzustöhnen. Der Boden vibrierte, dann zerriß ein peitschender Knall die wieder eingetretene Stille, und ein gewaltiges Stück der Kanalwand löste sich und polterte in einer lang anhaltenden Lawine aus Eis und halb geschmolzenem Matsch in den Graben.
Brad fluchte ungehemmt vor sich hin. Seine Hände ballten sich in hilfloser Wut zu Fäusten.
»Ich glaube, wir haben ihn unterschätzt«, sagte Skar.
Brad knurrte. »Wer hier wen unterschätzt hat, wird sich erst noch erweisen müssen, Satai«, sagte er gepreßt. Er tat einen weiteren Schritt, prüfte, ob das brüchig gewordene Eis sein Körpergewicht trug, und ließ sich dann auf Hände und Knie herab, um vorsichtig an den Graben heranzukriechen.
»Dieses kleine Schauspiel war vielleicht eindrucksvoll, aber nicht besonders sinnreich«, sagte er wütend. »Eine überflüssige Demonstration seiner Macht, mehr nicht.«
»Für uns vielleicht«, entgegnete Skar. »Für die Männer auf der SHAROKAAN muß es die Hölle gewesen sein.«
»Sie waren in Sicherheit«, widersprach Brad. »Das Schiff liegt im toten Winkel unter der Wand.«
Skar dachte für einen Moment an Gowenna, die an Land gegangen war, weil sie während des Kampfes nicht an Bord des Schiffes hatte bleiben wollen. Aber irgend etwas sagte ihm, daß ihr nichts geschehen war. Er war völlig sicher.
»Sie kommen.«
Skar sah, durch den plötzlichen Gedankensprung verwirrt, nach Westen, ließ sich ebenfalls auf Hände und Knie nieder und kroch behutsam neben den Veden. Das Eis vibrierte unter seinem Gewicht. Ein paar kleine Brocken lösten sich und stürzten lautlos in die Tiefe. Aber es hielt. Vor der Einfahrt des Kanals war ein gewaltiger schwarzer Schatten aufgetaucht; ein Stück faßbar gewordene Nacht, hinter der die Sterne verblaßten. Noch waren seine Segel gebläht, aber das würde sich ändern, wenn er vollends in den Kanal eingelaufen war. Sie hatten zwei, vielleicht sogar drei Stunden Zeit. Das Kaperschiff mochte eine größere Besatzung als die SHAROKAAN haben und sich vielleicht schneller als sie durch den Kanal staken können, aber auch sie würden Zeit brauchen. Viel mehr Zeit, als Brad und er nötig hatten.
Skar warf dem Veden einen fragenden Blick zu. »Hier?«
»Weiter zum See hin ist es günstiger.« Brad deutete mit einer Kopfbewegung auf das Ende des Kanals, hinter dem die SHAROKAAN auf der Lauer lag. »Vielleicht werden sie leichtsinnig, wenn sie unbehelligt so weit kommen«, murmelte
Weitere Kostenlose Bücher