Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
hinab. Skar folgte ihm auf die gleiche Weise, suchte sich auf der schmalen Sitzbank einen Platz und ließ sich darauf nieder. Del erschien nach überraschend kurzer Zeit. Der Matrose schien ihm genau gesagt zu haben, was man von ihm erwartete, denn er stieg ohne zu zögern über die Reling, suchte einen Moment mit ausgebreiteten Armen in dem schwankenden Boot nach einem Platz und ließ sich dann neben Skar nieder.
    Sie legten ab. Die Matrosen bewegten die Pinasse mit kräftigen Ruderschlägen von der SHAROKAAN weg und auf die Eiswand zu.
    Der Nebel schien sich zu lichten, als sie näher kamen, aber Skar wußte, daß das nichts als eine optische Täuschung war. Der Blick reichte kaum zwanzig Fuß weit, aber die huschenden Schatten erweckten den Eindruck, in graue Unendlichkeit zu blicken. Treibende Eisbrocken stießen mit dumpfem Geräusch gegen die Bordwand, und einmal schrammte etwas mit einem harten Schlag unter dem Rumpf entlang. Das Geräusch des Windes schien sich zu steigern, war plötzlich nicht mehr das Wimmern von Sturmböen, die sich an den Kanten und Erkern der eisigen Burg brachen, sondern das Heulen eines gewaltigen eisigen Gottes, in dessen Reich sie eingebrochen waren.
    Skar warf Rayan einen verstohlenen Blick zu. Der Freisegler hatte jetzt, wo er sich unbeobachtet glaubte, seine starre Maske fallen gelassen. Sein Gesicht wirkte angespannt und verkrampft. Ein seltsames, verzehrendes Feuer glomm in seinen Augen. Schmerz? dachte Skar. Haß? Irgendwie konnte er sich keines von beiden vorstellen. Der Killersegler war ihr Feind gewesen, nicht nur ihrer, sondern der Todfeind aller Seeleute. Aber man haßte einen Dronte nicht. Man konnte es nicht, ebensowenig, wie man ein Erdbeben oder einen Vulkan hassen konnte. Man konnte den Dronte bekämpfen, vor ihm davonlaufen oder ihn verfluchen, aber man konnte ihn nicht hassen. Dronte waren keine Feinde wie normale Kaperschiffe oder Zollsegler, sondern etwas, das mit der Unerbittlichkeit eines Naturereignisses hereinbrach und dem man nur mit den gleichen Gefühlen begegnen konnte. Jedenfalls hatte er das bis jetzt geglaubt. Aber der Ausdruck auf Rayans Zügen war Haß. Ein Haß von einer Intensität, der dem Go-wennas gleichkam und ihn schaudern ließ. Es war ein Haß, der nicht allein aus dem Verlust eines Sohnes geboren war.
    Er drehte sich herum und blickte in das Gesicht des Veden, der halb aufgerichtet im Heck der Pinasse hockte und mit einer Hand das Ruder hielt. Helth hatte seinen scharlachroten Fellumhang gegen ein schwarzes, von dünnen silbernen Fäden durchzogenes Cape einge-tauscht; ein dunkler, zweifingerbreiter Rußstreifen zog sich über seine Augen bis an die Schläfen herauf, und auf seiner Stirn war eine kleine, V-förmige Schnittwunde, kaum verkrustet und hellrot glänzend. Es war die Art, in der Veden sich zu kleiden pflegten, wenn sie trauerten. Oder wenn sie in einen Kampf zogen, von dem sie glaubten, sie würden ihn nicht überleben, dachte er erschrocken.
    »Langsamer!«
    Die Ruderschläge wurden langsamer und hörten schließlich ganz auf. Das Boot trieb noch ein Stück gegen die Strömung an und verharrte schließlich bewegungslos auf der Stelle, als sein Schwung aufgezehrt wurde.
    Der Nebel riß unter einem plötzlichen Windstoß auseinander. Zu ihrer Linken tauchte die Eiswand auf, senkrecht, schimmernd und von der Gluthitze des Feuers mit einer Unzahl von Rissen, Einbuchtungen und großen blinden Flecken verunziert, die wie schorfiger Ausschlag aussahen. Davor begann sich ein großer, schwarzer Umriß abzuzeichnen.
    Skars Herz schien einen Schlag zu überspringen und dann schneller und unregelmäßiger weiterzuhämmern. Der Nebel verwischte die Umrisse des Schiffes und gab ihm Bewegung und Leben, die nicht da waren; ließ es gleichzeitig größer und bedrohlicher erscheinen, als es war. Aber er war wiederum nicht dicht genug, um zu verbergen, daß das Schiff als länglicher schwarzer Umriß vor der Eiswand hockte, ein mißgestaltetes Monstrum, schwarz, leckgeschlagen und zernagt.
    Aber nicht gekentert und schon gar nicht zerbrochen.
    »Aber das ist doch... unmöglich«, murmelte er. In einer blitzartigen Vision sah er noch einmal die gleißenden Flammen aus dem aufbrechenden Leib des Dronte hervorquellen, feuriges Blut, das aus den Wunden brach, die sie ihm geschlagen hatten, noch einmal Wasser sich einen Weg durch die berstenden Rumpfplatten brechen, den Mast aufflammen und verglühen wie einen dürren Ast... Er sah noch einmal, wie sich

Weitere Kostenlose Bücher