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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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decken. Das Boot entfernte sich wieder ein Stück und blieb in geringem Abstand liegen.
    Skars Anspannung wuchs ins Unerträgliche, als er das Wrack betrat. Er war sich der Tatsache bewußt, daß sie etwas taten, was vor ihnen noch keinem Sterblichen gelungen war. Sie hatten einen Dronte geentert! Der Alptraum aller Seefahrer, das absolute Nonplusultra des Schreckens lag tot und besiegt zu ihren Füßen.
    Was hatte Brad gesagt? Das Ende eines Mythos? Ja, das war es wohl. Das Ende einer Legende, das Ende eines Schreckens, der so alt wie das Meer war. Ganz gleich, was aus ihm oder diesen Männern um ihn herum wurde — wenn nur einer von ihnen lebend zurückkam und berichtete, was sich hier abgespielt hatte, waren die Tage der Dronte gezählt. Sie waren nur so lange unbesiegbar gewesen, wie man sie dafür gehalten hatte. Aber Skar verspürte nichts von Hochgefühl oder gar Ehrfurcht, nichts von alledem, was in einem solchen Augenblick angebracht gewesen wäre. Er hatte nur Angst. Erbärmliche Angst.
    Und diese Angst war nicht einmal unbegründet. Etwas, das nicht einmal in Gedanken, geschweige denn in Worte zu kleiden war, ging von dem Wrack aus. Eine Stimmung der Düsternis, des Schreckens, als wäre das Schiff von einer unsichtbaren, dunklen Aura umgeben, eingesponnen in ein Netz, dessen Maschen aus den wehklagenden Seelen seiner Opfer geknüpft waren. Es war genau das, was Skar dachte, genau diese Worte; Worte, über deren Sinn und Wahl er in einem anderen Augenblick nur gelacht hätte. Jetzt ängstigten sie ihn.
    Er zog sein Tschekal aus der Scheide und sah sich mißtrauisch nach allen Seiten um. Der Anblick war grauenerregend und faszinierend zugleich. Der Dronte war tot, und er war es doch nicht, so wie ein Schlachtfeld nach der Schlacht nicht tot ist, sondern von den Geistern der Erschlagenen spukt. Etwas Dunkles, Unsichtbares schien über dem Deck zu schweben, eine körperlose Stimme, die mit unhörbaren Tönen drohte und flüsterte. Rayan und Helth waren vorausgeeilt und zum Bug gegangen, zwei zerbrechlich wirkende Gestalten, die auf dem mattschwarzen Leib des Dronte seltsam deplaciert und falsch wirkten. Mehr als alles andere demonstrierte der Anblick der beiden Menschen die Fremdartigkeit des Dronte. Das schwarze Monstrum war nicht einfach ein Piratenschiff, das Tod und Verderben säte, sondern ein Ding aus einer anderen Welt. Ein böses Ding aus einer bösen Welt. Wo es war, konnte kein Leben sein, und umgekehrt. Plötzlich begriff Skar, warum die schwarzen Mordsegler so waren. Sie konnten nicht anders. Es war weder Berechnung noch Lust am Töten in ihrem Tun. Die Gegenwart des Dronte schloß die von Leben aus. So wie Feuer und Wasser sich unerbittlich bekämpften, konnte auch in einer Begegnung zwischen dem Dronte und Leben — Leben in jeder Form —nur einer von beiden weiter existieren. Ein Kampf auf Leben und Tod war unvermeidlich.
    Irgendwo, tief unter seinen Gedanken, seinem bewußten Zugriff noch entzogen, unformuliert und nicht in Worte gefaßt, war etwas. Er spürte, daß er dicht vor der Lösung eines phantastischen Geheimnisses stand. Aber gleichzeitig schreckte er davor zurück, wehrte sich mit aller Macht gegen den Gedanken.
    Von plötzlicher Unruhe gepackt, begann er über das Deck zu wandern. Der Boden unter seinen Füßen fühlte sich seltsam hart und unnachgiebig an, als befände sich unter der krumig verbrannten schwarzen Schicht kein Holz, sondern massiver Stahl. Er blieb stehen und schlug mit seinem Schwert spielerisch auf die Reling. Die Schneide drang fingertief ein und sprang mit einem hellen Klingen zurück.
    Skar hob die Waffe verblüfft vor die Augen. Die Klinge aus nahezu unzerstörbarem Sternenstahl hatte eine deutliche Scharte abbekommen.
    Ein unmerkliches Beben ging durch den Schiffsmmpf. Skar fuhr zusammen, als er eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrzunehmen glaubte. Für einen winzigen Moment glaubte er, eine schlanke, in schwarzes Leder gehüllte Gestalt am Heck des Schiffes zu sehen, dunkle Augen, die ihn unter einem schwarzen Helm hervor anblickten ... Aber da war nichts. Das Schiff lag tot und reglos wie ein gewaltiger verkohlter Leichnam unter ihm.
    Ein Blick in die Gesichter der anderen sagte ihm, daß es ihnen nicht besser erging. Selbst die Lippen des Veden zuckten nervös; seine Augen hatten sich um eine Winzigkeit geweitet. Er war blaß. Auch im Tode strahlte der Dronte noch immer Feindseligkeit und Haß aus. Einen Haß, der alles überstieg, was Skar jemals

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