ePub: Drachenhaut (German Edition)
Mahpari, die vormalige Zweitfrau des Shâyas, erlangte mit der Geburt des Thronfolgers den Rang als Shâya Banu, den sie allerdings nur einen halben Jahreslauf innehatte. Sie starb im Winter, und man flüsterte im Serail, dass die eifersüchtige und neidische Samanbar, die von Mahpari aus ihrer vormaligen Stellung vertrieben worden war, sie vergiftet habe.
Massinissa, den alle nur »Amayyas« nannten, weil er an Schönheit, Kraft und Farbe einem Panther glich, wuchs heran und wurde bis zu seinem siebten Jahr mit jedem Mond schöner und wohlgestalter, kräftiger und klüger. Der junge Prinz war stolz wie sein Vater, hochfahrend und jähzornig, aber auch mild und freundlich zu denen, die so weit im Rang unter ihm standen wie die Kiesel im Staub unter dem leuchtenden Mond.
Dann aber, an seinem achten Geburtstag, geschah etwas, das das gesamte Serail in Angst und Schrecken versetzte. Die Feier zum Geburtstag des Prinzen war in aller Pracht ausgerichtet,Würdenträger und hochgestellte Gäste defilierten am Thronsitz des Shâyas und dem kleineren Sitz des Kronprinzen vorüber, warfen sich vor ihnen zu Boden und überreichten ihre Geschenke, die sich gegenseitig an Schönheit und Kostbarkeit zu übertreffen suchten. Die Kerzen strahlten und der goldene Tafelschmuck schimmerte. Perlen, Diamanten und Rubine häuften sich in kostbaren Silberschalen, schneeweiße Tauben gurrten und spreizten sich, Pfauen schlugen ihr funkelndes Rad und aus Salbengefäßen und Krügen stieg der Duft von edlen Gewürzen und heilsamen Kräutern in die Luft. Alle warteten voller Freude auf das Festmahl, das folgen sollte und von dem man sich schon seit Wochen die reinsten Zauberdinge erzählte. Der Leibkoch des Shâyas hatte die Händler des Basars in schiere Verzweiflung getrieben mit seinen Bestellungen, um die Köstlichkeiten und exotischen Genüsse, die er zu servieren gedachte, auch ja mit den teuersten und feinsten Zutaten zuzubereiten, die der Markt nur hergeben wollte.
Die letzten Gratulanten knieten vor dem Thron und überreichten ihre Präsente, der Obersthofmeister hob schon die Hand zum Gong, der den Sklaven das Zeichen geben sollte, die Vorhänge des Gemaches zu lüften und die Gäste in den Palastgarten zu geleiten, wo unter einem riesigen Seidenzelt die Tafel errichtet worden war. Da geschah es, dass das Portal des Audienzsaales donnernd aufsprang und eine Dunkelheit in den Saal drang, die alle Kerzen auf einen Schlag löschte.
Jedermann war starr vor Schreck und nur eine Hofdame sank seufzend in Ohnmacht. Alle anderen standen und blickten dem entgegen, was da durch das Portal kam
»Der Naga«, flüsterte ein schwarzer Eunuch, der sich als Ersteraus der Erstarrung löste, und machte das Zeichen der gegabelten Zunge.
Sein Flüstern wurde von den Umstehenden aufgenommen und breitete sich wie ein Windhauch im Saal aus, bis es an den Thronsitz und das Ohr des Königs gelangte. Der Shâya erhob sich und rief: »Wer naht sich dort auf so unziemliche Weise dem Sitz des Herrschers? Wachen, haltet ihn auf!«
Die Palastwache stürmte mit gezogenen Degen voran, aber der Heranschreitende ließ die Männer im Lauf verharren. Als hätte sie ein Blitz getroffen, sanken sie nieder und ihre Schwerter klirrten auf den Marmorboden.
»Magush«, rief der Shâya seinen Obersten Hofzauberer zu Hilfe, aber der hatte sich kurz zuvor entschuldigt, um einen wichtigen, unaufschiebbaren Zauber zu wirken ‒ in Wirklichkeit wollte er vor allen anderen die Köstlichkeiten begutachten, die draußen aufgetischt worden waren.
Dann stand der Eindringling vor den Stufen des Throns und schenkte dem Shâya und seinem Sohn ein breites, züngelndes, lippenloses Lächeln. »Shâya Faridun«, grüßte er ‒ nicht sonderlich ehrerbietig, sondern eher spöttisch. »Junger Prinz. Ich sehe, Ihr lasst es Euch wohlergehen.«
»Was willst du?«, fragte der Shâya, um Fassung bemüht. »Du bist kein Freund meines Hauses. Ich glaube nicht, dass du gekommen bist, um meinem Sohn Glück zu wünschen.«
Der Naga hob eine langfingrige Hand und zeichnete ein verschnörkeltes Zeichen in die Luft. Es schimmerte rötlich wie Glut und verblasste sogleich wieder. »Du sprichst die Wahrheit, Shâya Faridun. Ich bin gekommen, um deinen Sohn zu verwünschen. Aber es ist nichts Persönliches, junger Mann. Du hast dir einfach den falschen Vater ausgesucht.« Mit diesen Worten deutete der Schlangengott auf den Prinzen, der Anstalten machte, sein kleines Schwert zu ziehen und sich auf ihn
Weitere Kostenlose Bücher