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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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währenddessen gleichzeitig weiterhin Juden verfolgt und all jene Vorteile damit zunichte macht. Da muss man dann glasklare Prioritäten setzen. Man lässt also eine Helene Mayer mittun, auch wenn sie dann nur die Silbermedaille holt. Man muss sich auch sagen: Jawohl, dann verfolge ich eben vierzehn Tage lang keine Juden. Oder meinetwegen auch drei Wochen. Und wie dereinst galt es auch jetzt wieder, Zeit zu gewinnen. Gewiss, ich hatte erste Zustimmung im Volke, ich hatte einen gewissen Erfolg. Aber hatte ich bereits eine Bewegung hinter mir? Ich brauchte und mochte Fräulein Krömeier. Und wenn Fräulein Krömeier offenbar einen unerkannten Teil jüdischen Blutes in ihren Adern hatte, dann galt es damit umzugehen.
    Nicht, dass mich das gestört hätte. Wenn der Rest des genetischen Materials gut genug ist, kann der Körper einen bestimmten jüdischen Anteil verkraften, ohne dass jener sich auf Charakter und Rassemerkmale auswirkt. Wann immer Himmler das bestritten hat, habe ich ihn auf meinen braven Emil Maurice hingewiesen. Ein jüdischer Urgroßvater hat ihn nicht daran gehindert, mein bester Mann in Dutzenden von Saalschlachten zu werden, treu an meiner Seite, in vorderster Front gegen die Bolschewikenbrut. Ich habe mich selbst dafür eingesetzt, dass er in meiner SS bleiben konnte – denn fanatische, granitene Überzeugung kann alles, sie kann sogar das Erbgut beeinflussen. Ich habe es übrigens selbst gesehen, wie Maurice mit der Zeit und mit eisernem Willen immer mehr jüdische Bestandteile in sich abtötete. Eine mentale Eigen-Aufnordung gewissermaßen – phänomenal! Doch das treue, eben noch sehr junge Fräulein Krömeier war noch nicht so weit. Das Bewusstsein um diesen kleinen jüdischen Bestandteil ließ sie in ihrer Entschlossenheit wanken, und dies galt es zu verhindern. Nicht zuletzt auch wegen des guten Einflusses auf Herrn Sawatzki und umgekehrt. Olympia 1936. Die Verschleierung eigener Ziele bot sich geradezu an.
    Andererseits schmerzte mich die Kritik des Fräulein Krömeier an meinem Lebenswerk. Jedenfalls dem meines bisherigen Lebens. Ich beschloss, den geraden Weg zu gehen. Den Weg der ewigen, der unverfälschten Wahrheit. Den aufrechten Weg des Deutschen. Wir Deutsche können ohnehin nicht lügen. Oder doch wenigstens nicht sehr gut.
    »Von welchen Schweinen reden Sie?«, fragte ich ruhig.
    »Na, von den Nazis!«
    »Fräulein Krömeier«, hob ich an, »Sie werden es wohl nicht gerne hören, doch Sie irren sich, in vielen Dingen. Das ist nicht Ihr Fehler, aber es ist dennoch falsch. Es wird heute gerne so hingestellt, als hätten damals einige überzeugte, zum letzten entschlossene Nationalsozialisten ein ganzes Volk übertölpelt. Und das ist nicht ganz falsch, es hat diesen Versuch in der Tat gegeben. 1924, in München. Doch er ist unter blutigen Opfern gescheitert. Die Folge war ein anderer Weg. 1933 wurde kein Volk mit einer Propagandaaktion überwältigt. Es wurde ein Führer gewählt, auf eine Weise, die sogar im heutigen Sinne als demokratisch gelten muss. Es wurde ein Führer gewählt, der in unwiderlegbarer Klarheit seine Pläne offengelegt hatte. Die Deutschen haben ihn gewählt. Ja, sogar Juden. Und vielleicht sogar die Eltern Ihrer Frau Großmutter. Die Partei hatte damals schon vier Millionen Mitglieder. Und auch das nur, weil ab 1933 keine weiteren Mitglieder mehr aufgenommen wurden. Es hätten 1934 auch acht Millionen, zwölf Millionen sein können. Ich glaube nicht, dass eine der heutigen Parteien nur annähernd diese Zustimmung genießt.«
    »Und wat wollen Se mir damit sagen?«
    »Es gab entweder ein ganzes Volk von Schweinen. Oder das, was geschehen ist, war keine Schweinetat, sondern der Wille eines Volkes.«
    Fräulein Krömeier sah mich mit großen, fassungslosen Augen an: »Det – det können Se doch nicht so sagen! Det war doch nicht der Wille der Leute, det die Familie meener Oma stirbt! Det war doch die Idee von den Leuten, die da angeklagt worden sind. In Dings, in … Nürnberg!«
    »Fräulein Krömeier, ich bitte Sie! Diese Nürnberger Veranstaltung ist doch nichts gewesen als die reine Volkstäuschung. Wenn Sie Verantwortliche suchen, haben Sie letztlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder Sie folgen der Linie der NSDAP , und das heißt, die Verantwortung trägt, wer im Führerstaat nun einmal die Verantwortung trägt – das ist der Führer und niemand sonst. Oder Sie müssen diejenigen verurteilen, die diesen Führer gewählt oder aber nicht abgesetzt haben.

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