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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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Vor seinem Abteile standen große Zeitungspakete, die er später zu verteilen hätte. Bormann hätte es wohl nicht gerne gesehen, aber ich gehöre nun einmal nicht zu jenen, die in Kleinigkeiten unbedingt auf Hierarchien achten, insofern hatte ich keine Bedenken, mir einfach selbst die morgendliche Lektüre zu entnehmen. Ich nahm den Schreibstift, der an einer langen Kette an der Theke befestigt war, und notierte auf einen der Lieferzettel: »Habe meine Zeitungen schon entnommen. Danke.«, und signierte mit »A. Hitler«. Die »Bild«-Zeitung, so nahm ich zufrieden zur Kenntnis, hatte mich wieder einmal zum Tagessieger von irgendetwas erklärt. Die Dringlichkeit einer neuerlichen Gleichschaltung der deutschen Presse sank.
    Dann schritt ich, die Zeitschriften unter dem Arm, versonnen voran durch die Flure. Sonnenlicht schien durch die oberen Fenster herein, hinter den verschlossenen Glastüren sah man einige Telefonapparate blinkten, doch kein Ton war zu vernehmen. Die Stühle standen in den Arbeitsräumen an den Schreibplätzen, es war, als nähme man eine Möbelparade ab. Ich bog in den Flur, der mich zu meinem Büro führte, als ich dort durch die Türe einen Lichtschein wahrnahm. Ich ging zögernd näher.
    Die Türe stand offen. Dahinter, an ihrem Schreibtisch, saß Fräulein Krömeier und tippte etwas in ihren Apparat.
    »Guten Morgen«, sagte ich.
    »Ick muss Ihnen jleich wat – meen F…«, sagte sie etwas steif, »ick kann nich mehr jrüßen, und ick kann hier ooch nich mehr arbeeten. Ick kann det allet nich mehr machen.« Dann schniefte sie etwas und bückte sich zu ihrem Rucksack. Sie nahm ihn auf den Schoß, öffnete den Reißverschluss, dann schloss sie ihn wieder und setzte den Rucksack ab, ohne dass sie etwas daraus entnommen hatte. Sie stand auf, sie öffnete eine Schublade des Schreibtischs, sie sah hinein, dann schloss sie die Schublade wieder, setzte sich hin und schrieb weiter.
    »Fräulein Krömeier, ich …«
    »Det tut mir ooch leid, aber et jeht nich mehr«, sagte sie tippend. »Det is so ’ne Scheiße!« Dann sah sie zu mir und schrie: »Warum können Se denn nicht so Sachen machen wie die anderen ooch? Wie der Klamaukheiner, der immer den Postmann macht? Oder der Bayer, der Mittermeier? Warum können Se nich irgendwie rumzappeln, und dann von mir aus machen Se noch irjendnen Dialekt dazu? Det war schön hier! Det hat mir richtich Spaß jemacht!«
    Ich blickte Fräulein Krömeier an und fragte etwas täppisch: »Ich soll herumzappeln?«
    »Ja! Oder Sie beschimpfen einfach Leute! Det muss dann nich mal witzig sein! Warum müssen Sie denn immer der Hitler sein?«
    »Man kann sich das nicht aussuchen«, sagte ich. »Die Vorsehung stellt uns an unseren Platz, und da erfüllen wir dann unsere Pflicht!«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ick tippe jetze noch die Annonce für die interne Ausschreibung«, schniefte sie, »und dann kriejen Se janz schnell Ersatz. Det jeht janz schnelle, det werden Se sehen, da jibt et jarantiert jede Menge, die auf’n Zuch aufspringen möchten.«
    Ich senkte meine Stimme und sagte leise, aber fest: »Sie hören jetzt das Tippen auf und sagen mir, was los ist. Sofort!«
    »Na, ick kann hier nich mehr arbeeten!«, sagte sie trotzig.
    »Soso, können Sie nicht. Und warum nicht?«
    »Weil ick jestern bei meiner Oma war!«
    »Muss ich das jetzt verstehen?«
    Fräulein Krömeier holte tief Luft.
    »Ick mag meine Oma. Ick hab bei der fast ein Jahr lang jelebt, als meine Mama mal länger krank war. Und jestern war ich wieder bei ihr. Und se fragt mich, wat ick so mache, und denn hab ick ihr erzählt, det ick bei eenem richtijen Star arbeete. Ick war so stolz. Und dann fragt sie, wer det is, und ick lass sie ooch noch raten, und se kommt jar nicht drauf, und denn sag ick et ihr: bei Ihnen. Und denn ist die so stinksauer, die Oma hat ’nen richtigen Wutausbruch jekricht. Und se fängt ooch noch zu weinen an, und se sagt, det det nicht witzig ist, wat Sie machen. Det es da nichts zu lachen jibt. Det man so wie Sie eenfach nicht rumloofen kann. Und ick hab ihr jesagt, det det allet Satire ist. Det Sie det machen, damit det nich mehr vorkommt. Aber sie sacht, det is keene Satire. Sie sagt, det Sie eenfach detselbe sagen wie der Hitler früher ooch. Und det die Leute früher auch jelacht haben. Und ick sitz da und denk mir, Mensch, det is doch eenfach ’ne alte Frau, die übertreibt. Die hat ja noch nie viel vom Krieg erzählt, die is bloß sauer, weil se bestimmt viel mitjemacht

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