Erdbeermond: Roman (German Edition)
die Sicherheit deiner Familie …« Aber sie wurde von einem Lippenstift abgelenkt. »Kann ich den mal probieren? Er ist genau meine Farbe.«
Sie trug ihn auf, presste die Lippen zusammen, bewunderte sich in dem Handspiegel, dann überkamen sie Gewissensbisse. »Entschuldige, Anna. Ich habe versucht, nicht darum zu bitten, die schönen Sachen anzusehen, ich meine, unter den Umständen … Und ich bin entsetzt über die anderen. Wie die Geier! Aber sieh mich an! Ich bin genau so schlimm wie sie.«
»Sei nicht so streng mit dir, Maggie. Wir können alle nichts dafür. Es ist größer als wir.«
»Meinst du? Na gut. Danke.« Sie nahm weiter einen nach dem anderen heraus, schraubte ihn auf, testete die Farbe auf dem Handrücken und schraubte den Stift dann ordentlich wieder zu. Als sie alles ausprobiert hatte, seufzte sie. »Jetzt kann ich mir auch noch die Sachen in deinem Waschbeutel ansehen.«
»Tu das. Da ist ein tolles Vetiver-Duschgel drin.« Ich dachte einen Moment lang nach. »Nein, warte, ich glaube, das hat Dad genommen.«
Sie untersuchte alle Duschgels und Peelings und Bodylotions, schraubte Verschlüsse auf, roch, rieb sich damit ein und sagte: »Du hast wirklich den besten Job der Welt.«
Mein Job
Ich arbeite in New York als Beauty-PR. Ich bin die Assistentin der Pressefrau von Candy Grrrl – mit die heißeste Marke auf dem ganzen Planeten. (Den Namen kennen Sie bestimmt, und wenn nicht, dann heißt das, dass jemand irgendwo seine Arbeit nicht richtig macht. Ich hoffe, das bin nicht ich.) Ich kann mich an einer schwindelerregenden Palette von Gratisprodukten bedienen. Ich meine schwindelerregend ganz wörtlich: Kurz nachdem ich in dem Job angefangen hatte, kam meine Schwester Rachel, die seit Jahren in New York lebt, eines Abends, nachdem alle nach Hause gegangen waren, in mein Büro, um sich zu überzeugen, dass ich nicht übertrieben hatte. Und als ich den Schrank aufschloss und ihr die vielen, vielen Fächer mit ordentlich aufgereihten Candy Grrrl Gesichtscremes und Porenverkleinerern und Abdeckcremes und Duftkerzen und Duschgels und Grundierung und Rouge zeigte, guckte sie eine sehr lange Zeit und sagte dann: »Ich habe schwarze Punkte vor meinen Augen, das ist kein Witz, Anna, ich glaube, ich werde ohnmächtig.« Das meine ich damit – schwindelerregend – und das war, bevor ich ihr gesagt habe, sie könne sich etwas aussuchen.
Es wird alles noch um ein Vielfaches toller, weil ich nicht nur die Sachen von Candy Grrrl bekomme. Die Agentur, für die ich arbeite, McArthur on the Park (gegründet und noch immer im Besitz von Ariella McArthur), vertritt dreizehn andere Beauty-Marken, eine köstlicher als die andere, und einmal im Monat haben wir einen Basar im Konferenzzimmer und tauschen offen und ehrlich aus. (Allerdings ist das nicht die offizielle Politik, und wir machen es nie, wenn Ariella da ist, deshalb wäre es mir lieber, es würde nicht darüber gesprochen.)
Abgesehen von den Gratisprodukten gibt es auch andere Vergünstigungen. Weil Perry K ein Kunde von McArthur ist, lasse ich mir bei Perry K die Haare umsonst schneiden und färben. Natürlich nicht von Perry K persönlich, sondern von einem seiner treuen Mitarbeiter. Perry K ist normalerweise gerade in einem Privatjet unterwegs und wird von einem Filmstudio nach Nordkorea oder nach Vanuatu geflogen, wo er einem Filmstar die Haare schneiden soll.
(Nur nebenbei: Friseurbesuch umsonst hört sich toll an, aber auch wenn es undankbar klingt, manchmal habe ich das Gefühl, es ist ein bisschen wie die regelmäßige Gesundheitsprüfung bei Prostituierten: Es scheint freundlich, aber es ist nur eine Versicherung, dass man arbeitstauglich ist. So geht es mir auch, ich habe keine Wahl, was das Haareschneiden angeht. Ich muss dahin, und ich darf nicht bestimmen. Was immer auf dem Catwalk angesagt ist, das kriege ich auch verpasst. Normalerweise pflegeintensive, fedrige Schnitte, was mir das Herz bricht. McArthur hat meine Seele, und das ist schon schlimm, aber auch noch meine Haare …)
Jedenfalls, nach ihrem Besuch hat Rachel sich ans Telefon gehängt und allen zu Hause von dem Schrank mit den Produkten erzählt. Darauf folgte eine ganze Lawine von Anrufen aus Irland. Nahm Rachel wieder Drogen? Oder stimmte es, dass ich ihr all die Kosmetika geschenkt hatte? Und wenn es stimmte, könnten sie auch welche haben? Ich packte sofort eine unanständige Menge von Sachen zusammen und schickte sie nach Irland – zugegeben, ich wollte angeben und
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