Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
sehe Eis. Ewiges Eis. Weiße Winde. Es fröstelt mich vom Hinsehen. Der Sprecher sagt: »Das Wasser hier ist so kalt wie eine gefrorene Hölle.«
Ich setze mich auf den Bettrand. Eine gefrorene Hölle … Ich verfolge die Sendung bis zum Schluss. Dann packe ich.
Ich weiß jetzt, wohin ich will. An welchem Ort ich tatsächlich verschwinden kann. Ich habe ihn gesehen, gestern Abend. Mir ist klar geworden, dass ich nicht selber fahren kann. Die Strecke ist lang und die Versuchung zu groß. Mein Kopf würde wieder phantasieren. »Schau da«, würde er sagen, »der schöne große Baum am Straßenrand. Wäre das nicht ein guter Ort für das Ende?« Als ich auschecke, bedanke ich mich bei der Chefin für alles, und sie sieht mich nachdenklich an. Der Funkturm beobachtet mich streng, während ich durch die Straßen manövriere und nach einer Viertelstunde beim erstbesten Händler halte. Dem werde ich die Limousine verkaufen. Topzustand. Nur rund 30000 Kilometer gelaufen. Umgebaut für Erdgasantrieb. Sie ist mindestens noch 11000 Euro wert, aber ich werde nicht handeln. Ich werde die erste Summe akzeptieren, die der Ankäufer nennt. Ich will nicht mehr Geld, als ich unbedingt brauche, um mein Ziel zu erreichen. Der Händler heißt Aydin Gülselam, so steht es auf dem weißen Schild über dem Eingang. Er hat silberne und blaue Flatterbänder über den Kiesparkplatz gespannt. Sein Büro ist ein alter Wohnwagen. Im Fenster hängen Wimpel des Fußballvereins Galatasaray Istanbul. Aydin klappt die Tür seines Wohnwagens auf und steigt mit weitausgebreiteten Armen das Treppchen hinab.
»Mein Freund, was kann ich für dich tun?«
Ich zeige auf die schwarze Luxus-Öko-Limousine. »Sie können mir dieses Auto abkaufen. In bar.«
Aydin muss sich sehr anstrengen, das enthusiastische Glitzern zu verbergen, das in seinen Augen aufblitzt. Er stellt es ab und guckt absichtlich müde, gespielt gelangweilt. Er lehnt sich zurück, umrundet das Auto, verschränkt die Arme und sagt, die rechte Hand mit geöffneten Fingern schwenkend: »2500 Euro.«
Es ist lächerlich. Eine Frechheit. Nahe am Betrug.
Ich sage sofort: »Einverstanden.«
Aydin bekommt Augen wie die Räder eines Jeeps. »Was?«
»Machen wir.«
»Wie, machen wir?«
»Ist okay. 2500. Sie geben mir das Geld, und ich bin weg.«
»Ist das geklaut? Klaut ihr uns Mesut Özil für eure Nationalmannschaft? Kann ich mit leben! Aber klaut ihr Autos und verkauft sie unschuldigem Aydin? Kann ich nicht mit leben.«
»Er ist nicht geklaut. Schauen Sie in die Papiere. Es ist ein ehemaliger Firmenwagen. Alles legal.«
Aydin schaut sich die Papiere an. Sein Schnäuzer weht sacht in der Frühlingsbrise. Er blickt zu mir auf und sagt, so kraftvoll wie entrüstet: »Musst du handeln!«
»Also gut«, sage ich, »dann kriegen Sie ihn für 2000.«
Aydin fächert mit der Hand die Luft wie ein Kolibri. »Nein, nein, nein! Nicht weniger verlangen. Mehr! Musst du handeln!«
»Ach, kommen Sie schon …«
»8000 Euro!«, sagt Aydin, lächelt breit, verschränkt die haarigen Arme erneut und schaut mich an, als sage er: Und jetzt du, Sportsfreund. »Jetzt nehmen Sie ihn doch einfach«, jammere ich.
Aydin löst die Arme, schüttelt den Kopf, grummelt osmanische Flüche und wählt eine Nummer auf seinem Handy. Nach zwei Sekunden geht jemand ran. Leise höre ich eine jüngere Stimme, die etwas in den Hörer bellt. »Serkan? Kommst du mal?« Serkan antwortet etwas. Aydin erklärt ihm den Fall auf Türkisch. Dann fügt er auf Deutsch hinzu: »Ja, genau. Will nicht handeln.« Aydin legt auf und sagt: »Serkan kommt.«
Acht Minuten lang stehe ich mit Aydin zwischen den Gebrauchtwagen und schiebe Kies mit den Fußspitzen hin und her. »10000«, sagt er zwischendurch. »Elf! Zwölf!« Ich reagiere nicht.
Ein 190er Mercedes aus den achtziger Jahren fährt auf den Hof. Weiß mit grauen Seitenplanken. Am Rückspiegel wackelt ein Wimpel des Fußballvereins Fenerbahçe Istanbul. Serkan bremst, der Kies knirscht, er steigt aus. Er ist zwanzig Jahre jünger als Aydin, schmal gebaut und glatt rasiert. Die Männer begrüßen sich mit Wangenküssen. Dann zeigen sie gegenseitig auf ihre Wimpel und beschimpfen auf Türkisch die jeweilige Lieblingsmannschaft des anderen. Als sie fertig sind, drehen sie sich beide zu mir.
Serkan tänzelt einen Schritt in meine Richtung und sagt: »Was soll Wagen kosten?« Seine Augen wirken ungemütlicher als die seines älteren Kollegen.
»2500«, sage ich.
Serkan wirft
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