Erdwind
Kolonie herandrängte (manchmal schrie er sie an: „Was bildest du dir eigentlich ein? Du bist doch bloß eine nue!“); daher war es Elspeth unangenehm, wenn er mit dabei war.
„Wenn wir nicht einen von diesem Haufen fangen können“, sagte Darren und deutete auf die schlafenden Schwarzflügler, „dann müßten wir uns vor uns selbst schämen.“
Auf dem Bauche liegend blickten sie in das stille Tal. Schwarzflügler jagten am frühen Nachmittag; zwei, drei Stunden wilden Fressens und dann wieder zurück zum ‚Horst’ für den Rest des Tages und die ganze nächste Nacht, reglos hängend, jedoch nicht völlig ohne Bewußtsein, wie mancher erfolglose Jäger zu seinem Schaden gemerkt hatte.
„Du brauchst deine eigene Schlinge“, sagte Darren und schlüpfte hinter einen zackigen Felsen. Elspeth kroch hinterher, hockte sich hin und sah in die Leere der Wedelmoos-Ebene hinaus. Dunkles Land, wellige bräunliche Prärie, übersät mit Felsbrocken und Knäueln von Tangelkraut, das die Aerani-Jäger zu Schlingen verwenden. Es war kein böses Land; es war ein unwirtliches Land, und seine Kahlheit machte Elspeth stärker schauern als die Kälte auf ihrer nackten Haut.
Der Wind war abgeflaut und flüsterte nur noch. Ganz hinten am Weg hing noch immer ein dünner Nebelschleier, klebte am Tal und ließ nur schattenhaft erkennbar werden, daß sich dort etwas bewegte. Elspeth konnte Moirs murmelnde Fragen hören, auch ab und zu einen ärgerlichen Grunzer Engus’, der das Mädchen für ein paar Sekunden verstummen ließ. Plötzlich jedoch tönte ein anderer Laut zu ihr herüber. Moir sang.
Überrascht und mit gespannter Aufmerksamkeit horchte Elspeth auf das Lied, das bruchstückweise über das Tal herüberkam; es war nicht laut, nicht schrill, nicht erschreckend, nur eine sanfte fluktuierende Melodie, bezaubernd und sehr schön. Elspeth hatte von den Wällen des crog schon manchmal Gesang gehört – verschiedene Lieder mehrerer Sänger –, doch diesen Gesang, der von dem Mädchen auf dem Felsen herübertönte, kannte sie noch nicht.
„Sie wird die Schwarzflügler verscheuchen, oder?“ fragte sie Darren.
Kurz und entschieden schüttelte der junge Mann den Kopf. Er beobachtete seine Schwester mit halbzugekniffenen Augen, den Schatten eines Lächelns um die Lippen. „Es ist ein Erd-Lied“, sagte er leise, „sie hilft uns auf ihre Art.“
„Wie wirkt es?“
„Es gewinnt die Erde für uns“, sagte Darren sachlich. „Die Schwarzflügler mögen es, sie denken, alles ist in Ordnung. Wir brauchen weiter nichts zu tun, als ein Weilchen den Wind zu fangen.“
„Mit Gesang?“
„Nein“, antwortete Darren empört, „nicht durch Singen. Kannst du denn das Windlied singen? Traust du es dir zu?“
Elspeth zuckte die Achseln. „Also dann einkerben. Als Symbol.“
„Das kann nicht einmal ich“, erwiderte der Jüngling, „jedenfalls noch nicht. Nein, wir machen ein einfaches Wind-Opfer …“ Er verstummte und sah nach oben. „Hör auf ihre Stimme.“
Fließend, sänftigend, genau im gleichen, exakt getroffenen Ton. Aus der Ferne beobachtete Darren sie genau, voller Stolz – voller Liebe, wie es ihr vorkam.
Nicht weit von ihnen wuchs ein Buschen Tangelkraut. Sieben peitschenähnliche Arme zogen sich schlaff über den Boden, und nach Darrens Anweisung legte sich Elspeth über das Knäuel. Doch obwohl einer der Stränge sich ein wenig bewegte, schien das Kraut doch im ganzen uninteressiert zu sein. Sie gingen zu einer zweiten Pflanze, und hier hatten sie mehr Glück. Als Elspeth sich bäuchlings über das Herzstück des Krautes legte, erzitterten zwei von den Strängen, wickelten sich um ihre Glieder, zogen sich fest.
„Such dir eins aus“, sagte Darren. Elspeth nahm den längsten Strang, löste ihn vorsichtig aus dem Moos und schüttelte die zähe Muttererde von den dünnen Wurzeln. „Die Wurzeln kannst du abbrechen.“
„Muß das sein?“
„Es muß nicht, aber wenn du es nicht tust, bohren sie sich in deine Haut.“
„Oh.“ Vorsichtig löste sie die Wurzel ab; die Pflanze rollte sich kurz ein und wieder auf, dann wickelte sie sich um ihren Arm.
„Sie mag dich“, grinste Darren. Er schüttelte sein Haar zurück und blickte sich um. „Jetzt bin ich dran.“
Er griff nach demselben Büschel, und sämtliche Stränge wickelten sich um ihn. Sanft löste er sich aus den Schlingen und zog den längsten Strang heraus. Die Pflanze bog und wand sich dabei, ihre Bewegungen wurden immer schneller, seine
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