Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser
sie mit brennender Kehle. »Ich bin ein Stück von An. «
»Rood«, sagte Duac. In seiner Stimme lag ein seltsamer, dumpfer Unterton von Furcht, der Rood veranlaßte, seinen Blick von Rendels Gesicht zu wenden. Duac starrte auf das geöffnete Tor; die Hand hinter sich ausgestreckt, tastete er suchend nach Rood. »Rood! Das da! Wer ist das? Sag mir, daß es nicht der ist, der ich glaube.«
Rood fuhr herum. Lautlos, schattenlos, auf einem gewaltigen schwarzen Roß sitzend, dessen Augen so dunkel waren wie die Augenhöhlen in Farrs Schädel, ritt ein Mann über die Schwelle, auf dem Kopf einen goldenen Reif, in dem ein einziger blutroter Edelstein funkelte. Er war dunkel, von sehniger, kraftvoller Gestalt; das Heft seines Messers und seines Schwerts waren aus gesponnenem Gold; der kostbare Umhang über seinem Kettenhemd war mit dem alten Zeichen Ans bestickt - eine Eiche, durch deren grüne Zweige ein schwarzer Blitz zuckte. Ein Gefolge, das aus den Feldern und Obstpflanzungen rund um Anuin auferstanden sein mußte, ließ er vor dem geöffneten Tor zurück. Dahinter konnte Rendel Duacs eigene Wachen und unbewaffnete Bedienstete sehen, die sich mühten, sich einen Weg durch die Schar der Krieger zu bahnen. Ebensogut hätten sie gegen eine Steinmauer anrennen können.
Blitzartig reagierten die im Saal versammelten Geister auf das Erscheinen des gekrönten Mannes; jedes Schwert im Saal war gezogen. Farr trat vor. Sein flaches, ausdrucksloses Gesicht leuchtete zornrot über der Wunde an seinem Hals, das gewaltige Schwert in seiner Hand war erhoben. Die Augen des toten Königs achteten Farrs nicht. Langsam glitten sie über die Schar der Versammelten hinweg und blieben an Duac hängen. Der gewaltige Rappe blieb stehen.
»Oen!«
Roods Stimme zog flüchtig die Aufmerksamkeit des Königs auf sich, dann aber kehrte sein Blick zu Duac zurück. Er neigte leicht den Kopf, und als er sprach, war seine Stimme ruhig und doch hart.
»Friede denen, die in diesem Hause leben. Möge keine Unehre über dieses Haus kommen. Über jene, die Ehre besitzen.« Er schwieg, die Augen noch immer auf Duacs Gesicht gerichtet, während er in sich den zeitlosen Instinkt, das Recht des Landes erfühlte und dazu noch etwas anderes. Ein kurzes Auflachen kam aus seinem Mund, in dem kaum Erheiterung lag. »Ihr habt ein Gesicht, das aus dem Meer geboren ist. Aber Euer eigener Vater ist glücklicher. Ihr tragt in Euch wenig mehr von meinem Landerben als sein Gedächtnis.«
Duac fand endlich seine Stimme wieder.
»Frieden -« Das Wort kam zitternd aus seinem Mund, und er schluckte. »Wollt Ihr Friede in dieses Haus bringen und ihn zurücklassen, wenn Ihr geht?«
»Das kann ich nicht. Ich habe ein Gelöbnis getan. Über den Tod hinaus.«
Duacs Augen schlössen sich, während seine Lippen einen unhörbaren Fluch murmelten. Endlich wandte sich Oens Gesicht Farr zu; ihre Augen trafen sich zum erstenmal seit sechs Jahrhunderten jenseits ihrer Träume. »Solange die Könige Anuin regieren, so lange soll Farr von Hel den Misthaufen des Königs regieren. Das habe ich geschworen.«
»Und ich habe geschworen«, schnarrte Farr, »daß ich niemals meine Augen in meinem Grab schließen werde, solange jene, die in Anuin herrschen, nicht selbst im Grab liegen.«
Oen schüttelte den Kopf.
»Einmal schon habt Ihr Euren Kopf verloren. Ich hörte, daß eine Frau von Anuin Euren Schädel aus Hel heraustrug und ihn in dieses Haus zurückbrachte und daß sie zu ihrer Schande die Tore dieses Hauses den Toten von Hel öffnete. Ich bin gekommen, dieses Haus vom Gestank des Misthaufens zu reinigen.« Er blickte Rendel an. »Gebt mir den Schädel.«
Sie stand wie erstarrt bei der Verachtung in seiner Stimme, in seinen Augen, jenen dunklen, berechnenden Augen, die zugesehen hatten, wie am Meer ein Turm mit vergitterten Fenstern für seinen Landerben gebaut worden war.
»Ihr«, flüsterte sie, »Ihr, die Ihr leere Worte in dieses Haus bringt, was wußtet Ihr je von Frieden? Ihr, ein Mann mit einer kleinen Seele, der seine ganze Befriedigung in seinen Schlachten fand, Ihr hinterließt bei Eurem Tode ein Rätsel in Anuin, das weit mehr war als nur ein meerfarbenes Gesicht. Ihr wollt mit Farr um diesen Schädel streiten, wie Hunde sich um einen Knochen streiten. Ihr glaubt, ich hätte mein Haus verraten. Was wißt Ihr schon von Verrat? Ihr seid aufgestanden, um Rache zu nehmen; was wißt Ihr schon von Rache? Ihr glaubt, Ihr hättet Ylons wundersame Kräfte für immer
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