Erdzauber 03 - Harfner im Wind
hingezogen, und ich kam nicht an gegen mein Verlangen - « Der Schmerz durchbohrte seine Brust wie eine Klinge. Er holte keuchend Atem. »Alles, was ich von Euch wollte, war die Wahrheit. Ich wußte nicht - ich wußte nicht, daß Ihr mir alles geben würdet, was ich je geliebt habe.«
Er konnte nicht mehr sprechen. Schluchzen schüttelte ihn, bis er nicht mehr wußte, ob er seine eigene Gestalt aushaken konnte. Doch der Erhabene hielt ihn in ihr fest, beschwichtigte ihn mit seinen Händen und mit seiner Stimme, bis Morgon ruhig wurde. Er konnte noch immer nicht sprechen; er lauschte den Winden, die wispernd um den Turm tanzten, dem gelegentlichen Klatschen von Regen und Steinen. Sein Gesicht lag an der Schulter des Erhabenen. Er war ruhig, rastete in der Stille des Erhabenen.
Als er später wieder sprach, war seine Stimme heiser und müde, aber auch ruhiger.
»Ich habe es nie geahnt. Ihr habt mich nie so weit über meinen Zorn hinausblicken lassen.«
»Ich wagte es nicht, dich zuviel sehen zu lassen. Dein Leben war in so großer Gefahr, und du warst mir so kostbar. Ich hielt dich mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung standen, am Leben, bediente mich dazu meiner selbst, deines Unwissens, selbst deines Hasses. Ich wußte nicht, ob du mir je würdest vergeben können, doch alle Hoffnungen des Reiches ruhten in dir, und ich brauchte dich mächtig, verwirrt, immer auf der Suche nach mir.«
»Ich - ich sagte zu Rendel, wenn ich aus der Einöde käme, um mit Euch einen Rätselkampf auszutragen, dann würde ich verlieren.«
»Nein. In Herun hast du die Wahrheit aus mir herausgelockt. Da verlor ich gegen dich. Ich konnte alles von dir ertragen, nur nicht dein Zartgefühl.« Seine Hand strich über Morgons Haar und senkte sich, ihn wieder festzuhalten. »Du und die Morgol, ihr habt verhindert, daß mein Herz sich in Stein verwandelte. Ich war gezwungen, alles, was ich ihr je gesagt hatte, zur Lüge werden zu lassen. Und du hast es in Wahrheit zurückverwandelt. So hochherzig warst du einem gegenüber, den du haßtest.«
»Alles, was ich begehrte, selbst wenn ich Euch am tiefsten haßte, war irgendeine armselige, kahle, ausgedörrte Entschuldigung, Euch lieben zu können. Aber Ihr habt mir nur Rätsel gegeben... Als ich glaubte, Ghisteslohm hätte Euch getötet, trauerte ich, ohne zu wissen, warum. Als ich in den nördlichen Einöden war und zum Gesang der Winde auf meiner Harfe spielte, zu müde selbst, um zu denken, da habt Ihr mich durch Eure Anziehungskraft wieder zurückgeholt. Ihr gabt mir einen Grund zu leben.«
Seine Hände hatten sich langsam geöffnet. Er hob die eine beinahe zaghaft zur Schulter des Erhabenen und neigte sich ein wenig rückwärts. Etwas von seiner eigenen tiefen Ermattung zeigte sich in den Augen des Erhabenen und auch die unerschöpfliche, schreckliche Geduld, die ihn so lange allein und unerkannt am Leben erhalten hatte, während er in der Welt der Menschen von jenen seiner eigenen Art unerbittlich gejagt worden war.
Morgon senkte wieder den Kopf.
»Ich wollte Euch sogar töten.«
Die Finger des Harfners berührten seine Wange, strichen ihm das Haar aus den Augen.
»Du hättest nicht auf wirksamere Art verhindern können, daß meine Feinde mir auf die Spur kamen. Aber wenn du an jenem Tag in Anuin nicht innegehalten hättest, dann weiß ich nicht, was ich getan hätte. Hätte ich meine Geisteskräfte eingesetzt, dich daran zu hindern, so hätte danach keiner von uns beiden mehr lange gelebt. Hätte ich aus der Verzweiflung heraus, daß wir uns beide in eine so ausweglose Lage hineinmanövriert hatten, zugelassen, daß du mich tötest, so hätte die Macht, die in dich übergegangen wäre, dich vernichtet. Deshalb gab ich dir ein Rätsel, in der Hoffnung, daß es dich zum Nachdenken veranlassen würde.«
»So gut kanntet Ihr mich«, flüsterte Morgon.
»Nein. Du hast mich immer von neuem überrascht - von Anfang an. Ich bin so alt wie die Steine dieser Ebene. Die prächtigen Städte, die die Erdherren erbauten, wurden von einem Krieg zerstört, den kein Mensch hätte überleben können. Dieser Krieg wurde aus einer Art Unschuld geboren. Wir besaßen unermeßliche Macht, und doch verstanden wir nicht das Wesen und die Bedeutung der Macht. Das war der Grund, weshalb mir soviel daran lag, daß du Ghisteslohm verstandest, selbst wenn du mich dafür haßtest. Du solltest erkennen, weshalb er sich selbst zerstören mußte.
Wir führten einst ein so friedvolles Leben in diesen wunderbaren
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