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Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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zurückgeworfen.
    Der Erhabene stand vor ihm. Er hatte die zerschundenen Hände des Zauberers und das edle, von Alter und Weisheit geschliffene Gesicht des Harfners. Doch seine Augen waren weder die des Harfners noch die des Zauberers. Es waren die Augen des Falken, wild, offen, von beängstigender Kraft. Sie bannten Morgon zur Reglosigkeit. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er keinen Mut für Fragen; sein Mund war so trocken, daß er nicht sprechen konnte.
    »Ich mußte Euch finden«, flüsterte er heiser in das unerschöpfliche Schweigen des Erhabenen hinein. »Ich muß begreifen.«
    »Du begreifst noch immer nicht.«
    Die Stimme klang von Winden umtost. Dann aber verschloß der Erhabene seine ehrfurchtgebietende Macht in seinem Inneren und wurde zum ruhigen, gelassenen Harfner, der Morgon vertraut war und dem er Fragen stellen konnte. Der Augenblick der Verwandlung lahmte von neuem Morgons Zunge; er löste ein Chaos widerstreitender Empfindungen aus. Morgon bemühte sich, sie in seine Gewalt zu bekommen. Doch als der Erhabene die Sterne an seiner Seite und in seinem Rücken unwiderruflich zum Leben erweckte, hob er die Hände und hielt die Arme des Harfners fest.
    »Warum?«
    Wieder legten ihn die Augen des Falken in Bann; er konnte den Blick nicht von ihm wenden. Als läse er die Erinnerungen in der Tiefe der dunklen Augen, sah er den Ablauf des geheimen, sich über Jahrtausende erstreckenden Kampfes, den der Erhabene bald mit den Erdherren, bald mit Ghisteslohm, bald mit ihm, Morgon selbst, ausgefochten hatte. Ein endloses Gespinst war er, aus Rätseln gewirkt. Manche Fäden waren so alt wie die Zeit, andere waren mit einem Schritt in die stille Kammer des Zauberers, mit dem Flug eines Schattens über das Antlitz des Sternenträgers gesponnen. Morgons Finger gruben sich tiefer, fühlten Knochen.
    Ein Erdherr trat allein aus den Schatten eines grausamen, unbeendigten Krieges - hielt sich Tausende von Jahren verborgen, bald ein Blatt auf sattem, modrigem Waldboden, bald ein Lichtstrahl auf der Rinde einer Fichte. Tausend Jahre lang nahm er dann das Gesicht eines Zauberers an und wiederum tausend Jahre das stille, verschlossene Gesicht eines Harfners, der aus unergründlichen Augen auf die Mißgestalt der Macht blickte.
    »Warum?« flüsterte Morgon wieder und sah sich selbst, wie er in Hed auf dem Pier saß und die Saiten einer Harfe zupfte, die er nicht spielen konnte. Und da fiel plötzlich der Schatten des Erhabenen über ihn. Der Meereswind oder die Hand des Erhabenen entblößten die Sterne an seinem Haaransatz. Der Harfner sah sie, eine Verheißung aus einer Vergangenheit, die so alt war, daß sie seinen Namen verschüttet hatte. Er konnte nicht sprechen; er wob sein Schweigen in Rätsel.
    »Aber warum?« Tränen oder Schweiß brannten in seinen Augen. Er wischte die Nässe fort. Und wieder klammerten sich seine Hände um den Arm des Erhabenen, als wollte er ihn in dieser seiner Gestalt festhalten. »Ihr hättet Ghisteslohm mit einem Gedanken töten können. Statt dessen habt Ihr ihm gedient. Ihr! Ihr habt mich ihm ausgeliefert. Wart Ihr so lange sein Harfner, daß Ihr Euren eigenen Namen vergessen hattet?«
    Der Erhabene bewegte sich endlich. Jetzt fühlte Morgon seine eigenen Arme in unerbittlicher Umklammerung gehalten.
    »Denk nach! Du bist der Rätselmeister.«
    »Ich habe nur den Kampf ausgetragen, zu dem Ihr mich herausgefordert habt. Aber ich wußte nicht, warum.«
    »Denk nach! Ich fand dich in Hed, unschuldig, unwissend, deiner eigenen Bestimmung nicht gewahr. Du konntest nicht einmal Harfe spielen. Wen gab es in diesem Reich, der deine Augen der Macht hätte öffnen können?«
    »Die Zauberer«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ihr hättet die Zerstörung von Lungold verhindern können. Ihr wart dort. Die Zauberer hätten in Freiheit überleben und mich auf meine Aufgabe, welcher Art auch immer sie sein mag, vorbereiten können.«
    »Nein! Hätte ich damals meine Macht eingesetzt, diesen Kampf zu verhindern, so hätte ich viel zu früh den Kampf mit den Erdherren aufnehmen müssen. Ich wäre nicht bereit gewesen, und sie hätten mich vernichtet. Denk an ihre Gesichter! Führ sie dir vor Augen. Die Gesichter von Erdherren, die du im Erlenstern-Berg gesehen hast. Ich bin einer von ihnen. Die Kinder, die sie einst liebten, wurden unter dem Berg Isig eingemauert. Wie hättest du, in all deiner Unschuld und Arglosigkeit, sie verstehen können? Wie hättest du ihre Gier und ihre

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