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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Wahrhaft Deutschen ihren Aufmarsch. Freilich waren es sehr viele junge Leute, selbst zwölfjährige Schüler wurden von den Stoßtrupps nicht zurückgewiesen. Freilich war auch viel Geschwerl darunter, Gesindel, und die Behörden, bei aller Milde, konnten unter dem Druck des Ministers Messerschmidt nicht umhin, den einen oder andern herauszugreifenund wegen schwerer Eigentumsdelikte abzuurteilen. Doch der Zahl und der Ausrüstung nach waren die Truppen Kutzners nicht unansehnlich. Der Führer nahm Parade ab. Gelehnt an sein Auto, mit unbeteiligten Augen, ließ er die Leute vorbeimarschieren. Mit verschränkten Armen, in der Haltung, in der Konrad Stolzing in dem Lustspiel »Des Kaisers Befehl« den Napoleon dargestellt hatte, eine Figur des französischen Bühnendichters Scribe.
    Gewaltig durch das Land scholl es: noch vor der Baumblüte. In der Stadt München zeigten sich immer mehr Leute mit grünen Säcken auf dem Rücken, sogenannten Rucksäcken, und Hüten auf dem Kopf, die mit Bocksbärten in der Form von Rasierpinseln, sogenannten Gamsbärten, geschmückt waren: Bauern aus dem Umkreis, die eine zweite Befreiung Münchens veranstalten wollten. Am Stachus bildeten sich erregt debattierende Gruppen. »Noch vor der Baumblüte«, riefen die Patrioten und verprügelten, wer irgend als Gegner angesehen wurde. Auf der Landstraße von Schliersee nach Miesbach zogen zwei Handwerksburschen, singend: »Zwei rote Rosen, ein zarter Kuß.« – »Noch vor der Baumblüte«, riefen entgegenkommende Patrioten und fielen über sie her. Sie hatten verstanden: »Zwei rote Hosen und Spartakus.«
    Die Gegner hielten nicht immer still. Manchmal, trotz besserer Bewaffnung, wurden Patrioten verhauen. In Österreich durchsuchten Arbeiter einen Zug, in dem Vesemann zu Wiener Parteifreunden fuhr, und der General mußte einige unangenehme Stunden im Abort seines Abteils verbringen. Im Reichstag, im bayrischen Landtag, in ihren Parteiorganen empörten sich die Sozialdemokraten gegen die gesetzlosen Zustände. Mit geringem Erfolg. Der einzige Messerschmidt setzte manchmal eine schärfere Maßnahme gegen die rebellischen Patrioten durch. Das Kabinett als Ganzes zögerte. Kutzner hatte so oft einen Putsch angesagt; bis zur Baumblüte war noch lange Zeit; bis dahin war er die beste Waffe gegen die Roten.
    Währenddessen nahm das Elend der Bevölkerung zu. Das Nichtfunktionieren des Ruhrgebiets war ein Defekt, der die ganze Maschinerie des Reichs störte. Auf dem Lande zwar saß man schuldenfrei, lebte mit der zunehmenden Inflation immer üppiger; immer mehr Bauern hielten sich Automobile und Rennrösser. In den Städten aber stieg der Hunger. Das Brot wurde gesundheitsschädlich wie im Krieg. Die Magenkrankheiten nahmen zu. In den Schulen saßen die Kinder ohne Frühstück, wurden ohnmächtig während des Unterrichts. Tuberkulose griff um sich; der Betrag, den der Landtag für ihre Bekämpfung bewilligte, war hundertzwanzigmal kleiner als der Betrag für die Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche. Die Säuglingssterblichkeit stieg. Die jungen Mütter, gezwungen zur Berufsarbeit, mußten darauf verzichten, ihre Kinder zu stillen. Wieder dienten muffige Höhlen als Wohnungen, Zeitungspapier als Wäscheersatz, Pappschachteln als Kinderbetten. Es war ein kalter Winter. An der Ruhr bedeckte sich immer weiter das Land mit hochgeschichteter Kohle; doch auf diese Kohle fiel Schnee, und ein großer Teil Deutschlands fror in ungeheizten Räumen. Der Dollar kostete 20 815 Mark, die Semmel 75, das Pfund Brot 700 Mark. Ein Pfund Zucker 1 300 Mark. Die Löhne blieben zurück. Der Kardinalerzbischof von München erklärte, Teuerung, Lebensmittelwucher wüte heute ärger als der bethlehemitische Kindermord und die schlimmsten Hungersnöte der Bibel.
    Die Wahrhaft Deutschen aber kleideten ihre Beamten und ihre Landsknechte in warmes, dauerhaftes Tuch und nährten sie gut und reichlich. Sie sangen: »Nachts lieg ich beim Schatz im Bett / Tags schlag ich den Juden tot / Dabei werd ich dick und fett / Meine Fahn ist schwarzweißrot.« Sie sangen: »Und wenn sie uns die Stiefelsohln mit Kaviar beschmiern / Wir lassen und wir lassen uns von Juden nicht regiern / Pfui Judenrepublik.« Sie sangen: »Heute für dies / Morgen für das / Suff und Fraß / Muß ein Landsknecht haben.«
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Herr Hessreiter diniert zwischen Vlissingen und Harwich
    Andreas von Reindl verjüngte sich. Seine braunen, gewölbten Augen hatten nicht mehr ihre überhebliche Stille, sein frischer,

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