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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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mit dem Arzt des Zuchthauses und Krügers Herzbeschwerden für eine Bewandtnis habe. »Ich habe Ihnen erklärt«, fügte er hinzu, »noch vor der Baumblüte werden Sie Bescheid haben über das Wiederaufnahmeverfahren. Wiederaufnahme oder Strafunterbrechung. Ich habe gesagt: in zwei Monaten. Es sind noch achtundvierzig Tage. Der Messerschmidt hat es nicht vergessen.«
    Von alledem erzählte Johanna Tüverlin nichts. Sie lebten zusammen. Sie teilten Tisch und Bett, Arbeit, Sport und Erholung. Er selber war strahlender Laune. Das Hörspiel »Weltgericht« war so gut wie vollendet. Es sollte zuerst von New York aus gesendet werden. Es war geraten. Johanna spürte das; sie spürte die Kraft, die von dem Werk ausging. Doch sie hatte keine Freude daran.
    Keine Logik nützte: jenes blöde Schuldgefühl war da wie eine Krankheit, die man nicht los wird. Kratzte, lastete. Wurde schwerer, leichter, aber ganz los wurde sie es nicht. Immer da blieb diese alberne Bedrückung. Was sie tat und dachte, sie stieß daran. Sie saß darin wie in einem Käfig. Nur weil sie sich so ganz in dieses Glück Tüverlin hineingeworfen hatte, war jener krank und im Elend. Sie hatte sich gut sagen: das Herz in der Brust des Mannes von Odelsberg war ein Stück Fleisch, bestand aus Blut, Muskeln, Gewebe, Gefäßen. Es funktionierte nicht besser, nicht schlechter, ob sie den Mann Tüverlin liebte oder nicht. Das war wahr, das war nicht wahr. Wie immer: sie konnte Tüverlins nicht froh werden, solange die Sache mit dem andern nicht erledigt ist. Nie mehr wird sie Tüverlins froh werden können. Ihr Leben mit ihm war ein für allemal zerrissen, seitdem Tüverlin gelächelt hat über das Elend des Mannes Krüger.
    In dieses Elend konnte sie sich jetzt auf Augenblicke so hineinfühlen, daß Johanna Krain vertauscht war in den Mann Krüger. Sie saß da, das breite Gesicht mit der stumpfen, etwas fleischigen Nase in die Hände gestützt, die langen, grauen Augen geradeaus, die glatte Stirn gefurcht. Sie saß da in der Villa Seewinkel und saß doch in der Zelle von Odelsberg, die sie nie gesehen hatte. Sie war der Mann Martin Krüger, sie spürte seinen Haß gegen den Kaninchenmäuligen, gegen die Stadt München, das Land Bayern; sie spürte ihr Herz zerdrückt zwischen Steinen, die klammernde, würgende Vernichtung. Sie war ganz er. Solches Licht des Gefühls bei Dumpfheit des Verstandes, solche Augenblicke der Verwandlung in einen andern hatten viele Bewohner der Hochebene.
    Tüverlin ging neben Johanna her, schwatzte munter mit seiner gequetschten Stimme auf sie ein. War das Hörspiel »Weltgericht« nicht großartig geworden? Er strahlte. Sein Erfolg im Ausland hielt an. Geld kam, für das Deutschland jenes Jahres ungeheuer viel Geld. Hatte sie einen Wunsch? Soll er ihr das Haus kaufen, den Wald, den See? Er tauschte Kabel und Briefe mit dem Mammut; es stand fest, daß er in wenigen Tagen mit der »California« fahren wird. Er sagte Johanna das Datum der Abreise und daß er ein Dollarkonto zu ihrer Verfügung auf der Dresdner Bank hinterlegt habe. Er sagte ihr, er freue sich riesig auf die Revue für das Mammut, auf Amerika, auf das Mammut selber. Er schaute sie von der Seite an, oft, spitzbübisch; immer öfter lächelte er. »Der Aufsatz über Krüger«, sagte er, »wird jetzt auch bald erscheinen«, und er lächelte.
    Er war sehr gesprächig in diesen letzten Tagen vor seiner Abfahrt, er sagte muntere, scharfe Dinge über Gott und die Welt. Allein über das, was sie anging, was sie fürs Leben gern gehört hätte, über Martin Krüger, über seine Rückkehr, sagte er ihr kein Wort. Nicht sagte er ihr, daß die Amnestierung des Mannes auf gutem Wege war. Als nämlich der Geheimrat von Grueber die Andeutung, die Mr. Potter in dieser Richtung gemacht hatte, an das Finanzministerium und an dasDirektionsbüro der Bayrischen Staatsbank weitergab, war man dort zwar sehr erstaunt: aber nach einigen großen Sätzen über die Unabhängigkeit der Justiz in diesem Land erklärte man, man werde die Anregung an die zuständige Stelle weiterleiten. Jacques Tüverlin hatte die Absicht, während seines Aufenthalts in Amerika das Mammut zu stimulieren. Er freute sich, daß die Sache gut voranging. Er lächelte, wenn er daran dachte, wie Johanna aufatmen werde. Sprechen wollte er erst, wenn eine unmißverständliche Äußerung der bayrischen Regierung vorlag.
    Johanna, in diesen letzten Tagen, schien gelassen, heiter. Einmal bekam sie einen langen Brief von ihrer

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