Erfolg
Widerstand leisten. Die Behörden des dicht besiedelten Gebiets, die Verkehrsbeamten versagten den Besatzungsgruppen den Gehorsam. Die Regierungsvertreter, Bürgermeister, Leiter der Banken, Großunternehmungen wurden verhaftet, ausgewiesen. Die Besatzungstruppen suchten die Eisenbahnlinien selber in Betrieb zu nehmen. Mit schlechtem Erfolg. Militärzüge stießen zusammen; nicht wenige Soldaten kamen um. Die gereizten Truppen gingen gegen Demonstranten und Verdächtige scharf vor. Es gab Schießereien, viele Verwundete, manche Tote. Kriegsgerichte wurden eingesetzt, den Städten, in denen Franzosen gemeuchelt worden waren, hohe Geldbußen auferlegt. Zu Anfang Februar waren achthundert Kilometer des Eisenbahnnetzes verstopft.Lokomotiven, Schienen setzten Rost an, die Kohlenhaufen, die man nicht abtransportieren konnte, türmten sich, wurden Berge, fraßen weit ins Land hinein, da man sie, wollte man Selbstentzündung vermeiden, nicht höher schichten konnte.
In Altbayern wußten nicht viele, was die Ruhr war. Die meisten hielten sie für eine unangenehme Krankheit. Die Zeitungen hatten es nicht leicht, ihnen auseinanderzusetzen, daß es ein Fluß war, der durch ein reiches Industriegebiet lief, und daß sie Ursachen hätten, sich zu empören. Dann aber empörten sie sich mächtig.
Den Wahrhaft Deutschen schuf die Besetzung des Ruhrgebietes ungeheuern Zuzug. Die vielen Landsknechte und Abenteurer, die sich noch infolge des Krieges im Reich herumtrieben und denen in den letzten Monaten die Luft ausging, atmeten auf. Überall sprach man vom Losschlagen gegen Frankreich, vom Befreiungskrieg. Die alten militärischen Verbände und Freikorps, Einwohnerwehren, Ordnungsbünde, Werwolf, Orka, Orgesch und wie sie hießen, schlossen sich zusammen. Werber zogen durchs Land, trommelten Arbeitslose und Arbeitsscheue zusammen, reihten sie in die Freikorps. Den Behörden gegenüber figurierten diese Abteilungen, die in größeren Trupps durchs Land befördert wurden, als Ruhrflüchtlinge . Sie machten sich Witze mit den Aufsichtsbeamten. Eine Abteilung Bewaffneter zum Beispiel, die in einem Sonderzug durchs Land fuhr, hatte als Ausweis einen Schein: »Vierhundertdreißig Kinder über zehn Jahre.«
Die Wahrhaft Deutschen schwammen im Geld. Die Industrie, der die vaterländische Bewegung nicht nur als Rückendeckung gegen die Forderung der Arbeiter, sondern auch als Druckmittel auf die Feinde willkommen war, sparte nicht. Auch sonst viele Begeisterte, patriotisch Entrüstete, gaben Geld. Der Diener eines Wittelsbacher Prinzen zum Beispiel, der eine größere Stimme gestohlen hatte, konnte im Prozeß darauf hinweisen, daß er aus der Beute einen ansehnlichen Betrag für die Parteikasse der Patrioten gestiftet habe. Auch das Ausland spendete. Man sah in Frankreich nicht ungernden wilden Revanchegeist der Patrioten. Bewies er nicht die Notwendigkeit, sich Garantien zu schaffen, Pfänder besetzt zu halten?
Rupert Kutzner erklärte in seinen Reden die von der Reichsregierung proklamierte Einheitsfront des ganzen Volkes als stinkende Jauche und groben Schwindel. Nur Taten könnten zum Sieg führen. Die Zeit, bis man gegen die Franzosen gehe, müsse man ausnützen gegen den inneren Feind. Sei der erst ausgerottet, werde Deutschland automatisch wieder Weltmacht. Vordringlichste Aufgabe sei die Abrechnung mit den Novemberlumpen. Die müsse vorgenommen werden ohne Sentimentalität, mit unbedingter Wut. Die halben Maßnahmen müßten aufhören. Passiver Widerstand sei Blödsinn. Eine sizilianische Vesper müsse her. In Trümmer mit den Schwatzbuden der Revolution. Volkstribunale müßten eingesetzt werden, die nur zwei Urteile zu fällen hätten: Freispruch oder Tod. Allgemeine Wehrpflicht sei einzuführen, die Kontrollstäbe der Feinde als Geiseln festzunehmen. Kommunisten und Wahrhaft Deutsche müßten sich vereinigen, sie gehörten zusammen. Denn bloß Kommunisten und Wahrhaft Deutsche seien Tatmenschen; was in der Mitte stehe, seien Schleimsieder. Die große vaterländische Erneuerung stehe vor der Tür. Noch vor der Baumblüte werde sie sich entfalten. Das Volk stehe auf, der Sturm breche los.
Die Unterführer wandelten seine Worte noch kräftiger ab. Ministerköpfe würden in den Sand rollen. Man werde nicht ruhen, bis nicht an jedem Laternenpfahl eines von den roten Novemberschweinen hänge. Auf Kraut fressen werde man die Köpfe der Berliner Judenregierung.
Großartig, mit Sang und Klang, in aller Öffentlichkeit, betrieben die
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