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Erfolg

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Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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entfliehen. Allein in Hamburg kam ihm die Polizei auf die Spur, nahm ihn fest, nach einer längeren Jagd über Dächer. Er kam, abgestürzt, mit einem Knochenbruch ins Hafenspital. Entsprang von neuem, wurde von neuem verhaftet. Die Zeitungen erzählten abenteuerliche Geschichten von dem Ein- und Ausbrecherkönig. Das ergrimmte Hamburger Gericht fügte den zehn preußischen Zuchthausjahren acht hamburgische hinzu.
    Am 10. November 1918 zerbricht die Revolution das Tor seiner Strafanstalt. Er verschafft sich Uhrmacherwerkzeug, versucht vergeblich, über die gesperrte holländische Grenze zu entkommen. Wird quer durch ganz Deutschland gehetzt. Erwirbt, in letzter Not, in einer Zeit des Umsturzes und allgemeiner Auflösung, in der Zehntausende ungestraft das gleiche tun, gestohlenes Gut. Wird an der bayrisch-tschechischen Grenze von bayrischen Behörden ertappt und, der berüchtigte Ein- und Ausbrecher, nun von einem bayrischen Gericht zu der verhältnismäßig milden Strafe von weiteren vier Jahren Zuchthaus verurteilt.
    Verdikte von insgesamt zweiundzwanzig Jahren Zuchthaus auf dem Rücken, von einer Strafanstalt in die andere überführt, gelangt der Uhrmacher Triebschener schließlich nach mehr als einjähriger Kettenhaft in die westfälische Stadt Münster. Und diesmal hat er gutes Glück. Dem Zuchthausdirektor von Münster gefällt der ruhige, anstellige Mann; er gestattet ihm Vorzugsarbeit. Die außerordentliche Befähigung des Strafgefangenen Triebschener stellt sich heraus. Uhren,die kein anderer im Land reparieren kann, vermag er wieder instand zu setzen. Bald ist seine Zelle die beliebteste Werkstatt im Umkreis von mehreren hundert Kilometern. Der Direktor hat Freude an seinem Gefangenen, läßt ihn bald allein in die Stadt gehen, Material einzukaufen, Arbeiten auszuführen. Der Strafgefangene Triebschener geht in der Stadt herum, nimmt die vielfältige Gelegenheit zur Flucht nicht wahr um der Güte des Direktors willen. Holt sich sein Material zusammen, bastelt, bosselt, biegt seine Federn, feilt seine Rädchen. Die Uhr am Dom zu Münster war vier Jahrhunderte vorher von den Wiedertäufern zerstört worden, seit vier Jahrhunderten standen ihre Zeiger. Der Strafgefangene Triebschener, zum Spaß der Laien und zum Staunen der Fachleute, setzt sie wieder in Gang.
    Die Domuhr von Münster macht Lärm, erreicht das Ohr der Presse. Die Presse macht ihren großen Mund auf, untersucht den Fall des Uhrmachers Triebschener, bedauert sein Los, rühmt seine Kunst, verlangt seine Begnadigung. Preußen begnadigt ihn, auch Hamburg.
    Nicht aber hatte dem Mann, dem seine preußische und seine Hamburger Strafe erlassen war, Klenks Vorgänger seine bayrische Strafe geschenkt; denn der wollte Bayerns Justizhoheit demonstrieren. Es bedeutete also für den Uhrmacher die Begnadigung lediglich die Überführung aus der angenehmen Anstalt in Münster in ein weniger angenehmes bayrisches Zuchthaus. Jetzt war Geyer gekommen als bayrischer Anwalt des Triebschener, um hinzuweisen auf das einmütige Urteil des Reichs, wie begnadigungswert sein Mandant sei, und den Klenk zu bitten, die Entscheidung seines Vorgängers zu widerrufen.
    Klenk war sehr höflich zu Dr. Geyer, bot ihm besorgt eine besonders bequeme Sitzgelegenheit, fragte ihn umständlich nach seinem Befinden, ob er sich auch nicht zuviel zumute, wenn er jetzt schon an seine Geschäfte gehe. Dr. Geyer, tiefer erblassend vor Ärger, erwiderte, er glaube, die unmäßige Freude vieler stehe zu der Geringfügigkeit seines Unfallsnicht im rechten Verhältnis. Ja, erwiderte mit seiner riesigen, tiefen Stimme der Justizminister, Schadenfreude schmecke gut, und er fragte, ob er in Gegenwart des Herrn Abgeordneten frühstücken dürfe. Worauf er dem Diener im Vorzimmer Auftrag gab, Weißwürste zu bestellen und seinen Sherry zu bringen. Der Anwalt lehnte fast unhöflich ab, mitzuhalten.
    Was den Fall des Uhrmachers Triebschener anlangte, so äußerte der Justizminister zunächst einiges Allgemeine mit ironischen Spitzen gegen die Theorien des Anwalts Geyer. Er selber bedaure, meinte er, wenn aus justizpolitischen Rücksichten ein an sich sympathischer Mensch in Haft gehalten werde. Übrigens sei gerade jenes bayrische Urteil verhältnismäßig mild. Auch könne kein Mensch wissen, wie gegebenenfalls dem Triebschener die Freiheit bekäme. So allgemeine Argumente wie das von Geyer angeführte Presseurteil, hier liege ein typischer Begnadigungsfall vor, machten auf ihn, Klenk, wenig

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