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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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zwischen Schwabing und Sendling als natürliche Heimat gehabt habe, von dem Lehmmenschen in Ost und West, dem alpinen Menschen im Süden, dem Moormenschen im Norden, in Dachau. So wie es ein Münchner Lehmedaphon und eine Lehmflora gebe, so auch gebe es einen Münchner Lehmmenschen, bedingt durch seinen Boden, und der Ausdruck dieser Lehmmenschheit sei der Komiker Balthasar Hierl. Die Münchner Bürger hörten Kahleneggers Auseinandersetzungen gelassen zu, sie hielten sie für gelehrt und spinnert und beschränkten sich darauf, manchmal »Ja, ja, Herr Nachbar« zu äußern.
    Die Kapelle spielte einen blechernen Schlußmarsch »Auf ins hintere Restaurant«. Herr Hessreiter brachte Johanna nach ihrer Wohnung in der Steinsdorfstraße, einsilbig. Er hatte bis zuletzt geglaubt, Johanna werde ihren Entschluß, den Mann Krüger zu heiraten, aufgeben. Er bildete sich nicht ein, ein großer Seelenkenner zu sein, aber sehr gut merkte er, daß hinter diesem Entschluß nicht innere Bindung an den Mann Krüger stand, sondern Trotz, ein Nun gerade . Es war ihm nicht gegeben, Johanna offen darüber zu sprechen. Er konnte seine Meinung nur in einem allgemeinen Mißmut ausdrücken, in einem Unbehagen, das sich auf sie übertrug.Seinen Vorschlag, sie nach Odelsberg im Wagen zu bringen, lehnte sie unzweideutig ab.
    Es war ekelhaft, wie alle behutsam am Rand hinredeten, wenn es sich um ihre Beziehungen zu Martin Krüger handelte. Diese verdammte Diskretion. Es wäre gut, wenn statt des breiten, nebeligen, konzilianten Hessreiter der scharfe, saloppe Tüverlin neben ihr säße. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seitdem sie damals, verärgert über seine zynischen Aphorismen, vom Tisch aufgestanden war. Er würde sich nicht zartfühlend über ihr Vorhaben ausschweigen. Kein Mensch hatte ein handfestes Argument gegen ihren Heiratsplan vorgebracht. Wenn dieser Hessreiter doch endlich etwas Handfestes sagen würde.
    Aber Herr Hessreiter hockte neben ihr, schleierig, beschäftigt, machte mit seinem Elfenbeinstock eigentümlich rudernde Bewegungen, als rühre er in einem Brei. Gerade passierte der Wagen die Feldherrnhalle, und Herr Hessreiter warf, trotzdem sie in der Nacht nicht recht sichtbar waren, auf die dort ausgestellten Greuel einen haßerfüllten Blick. War es wegen seiner keramischen Fabrik, daß Johanna ihn nicht für voll nahm? Wegen des Kitsches, den er dort fabrizierte? Aber da gab es mancherlei Rechtfertigung. Er sammelte mit Verständnis gute Kunst, duldete nichts von seiner eigenen Produktion in seinem Haus. Er und alle Welt war einverstanden mit seinem Leben. Sollte ein anderer das Geschäft machen? Johanna war ein vernünftiges Mädchen, sicherlich wird sie seinen Standpunkt begreifen. Er erwog in seinem Herzen, ob er ihr seine Fabrik zeigen solle, seine Arbeiter, seine Maschinen. Hat er Grund, sich zu schämen? Er hat auch Grund, stolz zu sein. Er wird ihr die langbärtigen Gnomen, die gigantischen Fliegenpilze nicht unterschlagen, ihr aber auch die Serie »Stiergefecht« vorführen. Er war der Mann, was er machte, zu vertreten. Den Entschluß gefaßt, strich er sich den Schläfenbart, wurde besserer Laune, gesprächig.
    Unterdessen schminkte in seiner Garderobe der KomikerBalthasar Hierl sich ab. Mit Vaseline entfernte er das klägliche Weiß von seiner Nase, das giftige Rot von seinen Backen, mürrisch auf einem plumpen Holzschemel hockend. Leise dabei schimpfte er vor sich hin, das Bier sei nicht warm genug; denn er litt am Magen und durfte sein Bier nur gewärmt trinken. Seine Gefährtin, die den Feuerwehrhauptmann gespielt hatte, ein resolutes Frauenzimmer, noch in der Uniform des Feuerwehrmannes, redete beschwichtigend auf ihn ein; er war schwierig, immer erfüllt von Depressionen. Sie erklärte ihm, das Bier habe genau die vorgeschriebene Temperatur. Aber er murrte nur unzugänglich vor sich hin über die Weibsbilder, die damischen, die immer das letzte Wort haben müßten. Man hatte ihm natürlich gesagt, was für prominentes Publikum er heute gehabt hatte, und er, bei aller gespielten Verschlafenheit, hatte aufmerksam jede Wirkung beobachtet, wütend, wenn der winzigste Teil einer Pointe unter den Tisch fiel. Jetzt schimpfte er auf die Hammel, die sich an ihm ergötzt hatten. Er hatte nichts davon. Glaubte man etwa, daß ihm seine Späße Spaß machten? Einen Schmarren. Er war erfüllt von seiner Vaterstadt München; er sehnte sich nach einer Komödie, in der er sich, die Stadt München und die Welt hätte

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