Erfolg
studierte die weiße Form. Das breite, stumpfe Gesicht ist auffallend streng: sie hat eine vestalische Stimmung gehabt, als er ihr die Maske abnahm. Später aber war sie nicht mehr vestalisch. Wenn sie noch so albern lacht, wenn sie die Augenbrauen bis zu den Haaren hochzieht: gehabt hat er sie doch.
Wenn sie erführe, daß er es war, der die Amalia Sandhuber erledigt hat, was sie dazu wohl sagen würde? Das mit dem Abgeordneten G. scheint sie gekitzelt zu haben, damals. So was geilt die meisten auf. Andernteils, wenn man die Maske anschaut, bleibt einem die Spucke weg, daß dieses Mädchen einen ohne weiteres ins Bett gelassen hat.
Masken mit geschlossenen Augen verleiten einen immer zu falschen Schlüssen. Vor dieser weißen Form begreift man schwer, wie eine gewisse Johanna Krain mit einem Herrn Hessreiter in Paris herumziehen konnte und was sie mit ihm selber angestellt hat. Vermutlich war es dieser Stuß mit dem Manne Krüger, der sie aus dem Gleis warf. Wenn sie jetzt ihre Guckäuglein aufmacht, dann könnte ihr vielleicht eine Bogenlampe aufgehen, wie die Welt läuft. Er kriegt seinen Georg heraus: kriegt sie ihren Krüger? Wer hat Ursache zu lachen, sie oder er? Hätte sie es länger mit ihm gehalten, dann hätte er ihr vielleicht den Krüger auch noch herausgeholt. Man muß die Technik haben.
Es ist ein bayrisches Gesicht, mit dem üblichen slawischenEinschlag. Auf die Idee, daß etwa der Vater dieser Johanna Krain ein Jud sein könnte, würde keiner kommen.
Wollte er nicht einem gewissen Dr. Geyer schreiben, Reichstagsabgeordneten in Berlin, der eine Interpellation angekündigt hat über ein Vorkommnis im Wald von Forstenried?
Machen wir.
Er setzte sich hin, schrieb mit der Hand. Schrieb lange. Sah er auf, dann sah er die weiße Maske. Zuweilen strich er ein Wort, lächelte, freute sich. Er änderte den Brief mehrere Male, kostete jeden Satz. Es war ein guter Brief; es tat wohl, ihn zu schreiben. Zwei Stunden saß er so, allein, in der Nacht. Bevor er den Brief faltete, las er ihn laut. Noch als er ihn adressierte, als er die Marke leckte, aufklebte, ihn in den Kasten warf, kostete er den Brief ganz aus.
Andern Tages verpackte er die Maske, schickte sie Johanna Krain. Ihm war, als habe die weiße Form die Worte seines Briefes aufgenommen, in sich gesogen und werde sie jetzt dieser Johanna mitteilen. Er lächelte, wenn er dachte, wie Johanna die Sendung empfangen wird.
25
C + M + B
Anton von Messerschmidt mandelte sich auch jetzt wieder auf. Reckte sich, verlangte drohend von seinen Beamten die Verfolgung des Verbrechens in dem Wald bei München. Seit Jahren schien dieser säuische Femeunfug erstickt im eigenen Schmutz: jetzt haben die Hunde von neuem angefangen. Haben den Wald damit verschweint, und keiner findet was dabei. Ganze sieben Zeilen im lokalen Teil. Sie finden es selbstverständlich, daß vier oder fünf finstere Jünglinge einen Menschen aburteilen, eine gutmütige, verhurte Gans, wie es scheint, die mit Vaterlandsverrat nicht mehr zu tun hat als ein Schürhaken mit einer Eisbahn. Der Messerschmidt knurrtbösartig; er will nicht, daß man diesen Mord vertuscht, er duldet es nicht.
In der nächsten Kabinettssitzung brachte er die Angelegenheit vor. Verlangte Unterstützung der anderen Ressorts, insbesondere bessere Zusammenarbeit zwischen Justiz und Polizei. Eingreifen also des Innenministeriums. Er für sein Teil beabsichtigte eine hohe Belohnung auszusetzen für die Auffindung des Täters. Es hätte sich wohl in allen jenen Jahren im Lande Bayern kaum ein glücklicher Moment gefunden für die Aufstellung einer solchen Forderung: dieser Moment war der denkbar unglücklichste. Die Besetzung des Ruhrgebiets hatte auch bei dem ruhigeren Teil der Bevölkerung einen ungeheuren Sturm ausgelöst. In solcher Zeit die nationale Einheit zu gefährden um eine so läppische Sache wie die Ermordung des Dienstmädchens, grenzte an Verbrechen. Die Wahrhaft Deutschen hatten alle Trümpfe in der Hand; es in diesem Augenblick auf eine Machtprobe ankommen zu lassen zwischen ihnen und der legalen Gewalt, war schierer Wahnsinn.
Alle Herren des Kabinetts waren dieser Meinung. Sie sagten sie teils umständlich, saucig, teils kurz und kernig; selbst der stille Herr von Ditram riskierte eine kräftigere Sprache. Sie redeten mehrere zugleich auf den Messerschmidt ein. Nur einer sprach nicht, der Flaucher.
Der Messerschmidt hörte sich alles an. Es war ihm von vornherein klar gewesen, daß seine Kollegen im
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