Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
es schade, ihn zum größten Teil in einem Auto zu verbringen, das mit zu hohem Tempo über die mörderische D15 raste. Lieber wollte ich in meinem Wagen mit maßvollem Tempo Richtung Uzès fahren und einen langen Spaziergang durch die garrigue machen. Schon der Gedanke an das Aroma von sonnendurchwärmtem Wacholder, wildem Thymian und Lavendel war berauschend. Ich kündigte meinen Plan an und hielt gegen alle Ausdrücke des Bedauerns und Versprechen auf Wanderungen am nächsten und übernächsten Tag an ihm fest. Zu meiner Überraschung und Freude fragte Bella, ob sie sich anschließen dürfe.
Es stellte sich heraus, dass sie einen meiner Romane gelesen und in guter Erinnerung hatte. Wir sprachen über meine Themen. Das seien – nicht notwendig in dieser Reihenfolge – Liebe, Ehrgeiz, Betrug und Angst vor den Verheerungen des Alters. Erzählt anhand von Geschichten, die sich in New York und New England abspielten, mit gelegentlichen Streifzügen meiner Figuren an die Orte in Westeuropa, die ich am besten kannte. Sie lächelte und sagte, andere ernsthafte Themen gebe es auch nicht, außer vielleicht dem Tod selbst und Vergeltung und Vergebung. Ich stimmte zu. Vergeltung komme in meinem Werk vor. Vergebung? Dem Thema hatte ich selten Aufmerksamkeit gewidmet.
Wir kamen an eine Stelle, wo ich gut parken konnte, stiegen aus und suchten uns einen Weg durchs Gestrüpp. Bald waren wir in offenem Gelände, um uns ein Meer niedrig wachsender Pflanzen voller zirpender Grillen, und atmeten die üppigen Düfte ein, an die ich mich so sehnsüchtig erinnert hatte.
Das ist paradiesisch, sagte Bella. Ich bin so froh, dass Sie darauf gekommen sind und dass ich mitfahren durfte.
Ich wollte mit irgendeinem belanglosen Kompliment antworten, aber plötzlich fasste ich Mut und sagte, Guy habe die Publikation ihres Buches erwähnt – leider hätte ich es nicht gelesen, würde das aber in Paris nachholen – und erzählt, dass sie an einem neuen Buch arbeite. Ob sie mir das Thema verriete?
Ich habe vorläufig nur Material gesammelt, sagte sie, aber ich mache weiter, und wahrscheinlich schreibe ich etwas. Es geht um einen ungewöhnlichen Moment in der Geschichte der Emigranten, die vor dem Großen Terror aus Frankreich geflohen waren. Um die Zeit, die Chateaubriand und Talleyrand in den Vereinigten Staaten verbrachten, sie waren nicht lange dort, haben aber viel gesehen und ihre Eindrücke aufgeschrieben, so wie die Marquise de la Tour du Pin, deren Memoiren ganz wunderbar sind. Chateaubriands Amerikareise verdanken wir natürlich Atala und Les Natchez .
Diese Werke hätte ich gelesen und eine gewisse Vorstellung von ihrem Einfluss, sagte ich Bella. Dann versuchte ich, zugleich bescheiden zu klingen und ihr Interesse zu wecken, und erzählte ihr, dass ich mich nachmeinem College-Abschluss, als ich erstmals mit dem Gedanken spielte, ein Buch zu schreiben, eine Zeitlang in die amerikanische Geschichte des späten achtzehnten Jahrhunderts vertieft hatte; besonders hatte mich interessiert, was zu dieser Zeit in New England und New York vorgegangen war.
Aber dann müssen wir uns in Paris zum Lunch treffen, sagte sie, falls Sie dazu Zeit haben. Ich würde so gern ein paar von meinen Theorien ausprobieren – nein, Theorien sind es noch nicht. Nur Annahmen.
III
Da die Mission im Irak nun »erfüllt« war, hatte ich mir halb im Ernst die Vermutung erlaubt, dass im nächsten Schritt dieses armen Landes auf seinem Marsch zu Glück und Demokratie doch sicher die Selbstverwaltung wieder hergestellt werde. Stattdessen fand ich am Morgen nach dem Ballett auf der ersten Seite der New York Times neben Fotos von Paul Bremer, unserem Prokonsul im Irak, und seinem Vorgänger Jay Garner, die beide aussahen, als hätten sie einen besonders scharf gewürzten Fleischklops verschluckt, einen Artikel, dem zu entnehmen war, dass die Vereinigten Staaten und Großbritannien beschlossen hatten, die Selbstverwaltung aufzuschieben. Regierungsbeamte der Alliierten – vermutlich Mr. Bremer – würden bis auf Weiteres die Führung behalten. Als ich über die Folgen dieses selbstherrlichen Schachzuges nachdachte, klingelte das Telefon. Es war Lucy, die mich zum Dinner am selben Abend einlud. Sie sagte, sie wohne noch immer in der alten Wohnung an der Park Avenue. Ich solle um acht kommen. Da sich das ungewöhnlich milde Wetter gehalten hatte, entschloss ich mich, zu Fuß zu gehen, und durchquerte den Park auf der Höhe der Seventy-Ninth Street. Achter Stock,
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