Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
rief mir eine Zeit in Paris wieder ins Gedächtnis, die ich längst verdrängt hatte. Dazu gehörte Lucys und meine passade , die über ein Jahr zurücklag, als sie an dem Nachmittag mit Thomas zu mir kam. Diese passade gab ihr gewisse unveräußerliche Rechte. Passiert war es während einer dreitägigen Hausparty an einem Frühlingswochenende in einer großen Villa, die der leitende Partner der Pariser Filiale einer New Yorker Kanzlei außerhalb von Deauville gemietet hatte. Eine ganze Gruppe Amerikaner, von denen ich einige kannte, war eingeladen worden. Lucy gehörte dazu. Am Samstagabend wurde viel getrunken, und nach dem Dinner tanzten wir zu Schallplattenmusik. Jemand dämpfte das Licht. Ich begriff schnell, dass Lucy eine Tänzerin war, die ihren Körper nachdrücklich und wirkungsvoll einsetzte. Beinahe zu meinem Ärger merkte ich, dass ich erregt war und dass ihr mein Zustand nicht verborgen blieb. Als sie sich an mich drängte, huschte ihr ein kaum merkliches Lächeln übers Gesicht. Nach Mitternacht servierte unsere Gastgeberin noch ein Chili. Schließlich sagten alle: Zeit fürs Bett, und wir gingen nach oben. Lucys Zimmer war im gleichen Stockwerk wie meines. Im Flur sagte ich ihr gute Nacht und küsste sie leicht auf die Lippen, worauf sie mir ihre Zunge tief in den Mund steckte. Ihre Hand glitt nach unten und griff mir zwischen die Beine. Als sie wieder sprechen konnte, wisperte sie: Ich brauche nicht lange.Sie trug einen seidenen Pyjama, schätzte die Missionarsstellung, und als ich murmelte, es sei vielleicht klüger, wenn ich abbräche, murmelte sie: Brauchst du nicht, ich habe mein Diaphragma eingesetzt. Sie war das erste so ausgerüstete Mädchen, mit dem ich schlief. Das ist alles, mehr war nicht. Warum gab es keine Wiederholung, nicht einmal in der nächsten Nacht, die wir auch unter einem Dach verbrachten? Schwer zu sagen nach so langer Zeit, aber ich war ein mittelmäßiger Liebhaber, mir fehlte es an Talent und Stehvermögen, ein Mangel, der mich nicht von kurzen Affären abhielt, manchmal mehreren zur gleichen Zeit. Aber diese Episoden – es waren wirklich nur Episoden – hinterließen bei mir, und ich fürchte auch bei den Objekten meiner kurzen Aufmerksamkeit, keinen starken Eindruck. Eine dieser Frauen, eine britische Fotografin, erklärte mir brüsk, ich sei offenbar gern mit Frauen zusammen, ohne Lust auf Sex zu haben. All das änderte sich, als Bella in mein Leben trat.
Philip, fragte Lucy mit erhobener Stimme, bist du eingeschlafen? Was möchtest du trinken?
Noch nicht wieder ganz bei mir, wiederholte ich ihre Frage und antwortete dann: Könnte ich einen Gin Martini haben?
Nur wenn du ihn selbst mischst, sagte sie und kommandierte mich in die Speisekammer.
Ich mixte mir einen großen Drink, und sie sah zu. Eine Stimme aus dem Unbewussten, wo Trivialitäten, die der Zeit trotzen, auf solche Gelegenheiten warten, soufflierte mir: Sie möchte einen Highball mit viel Johnnie Walker Red Label – den sah ich auf der Anrichte – und wenig Soda, aber reichlich Eis. Dieselbe unfehlbare Stimmesagte voraus, welche hors d’œuvres sie anbieten würde: Hüttenkäse mit gehackten Muscheln aus der Dose auf Crackern, die auf einem kleinen runden Servierteller aus blau-weißem chinesischen Porzellan lagen.
Stell dir vor, Rip van Winkle wäre aufgewacht und hätte festgestellt, dass alles noch beim Alten ist, sagte ich. So geht’s mir. Hier bin ich nach Jahrzehnten wieder, und diese Wohnung sieht genau so aus, wie ich sie in Erinnerung habe. Dieselben wunderbaren Möbel, dieselben missmutigen Vorfahren. Die meisten Leute stellen irgendwann die Möbel um, verändern etwas. Ich bin für Stabilität. Ich freue mich, hier zu sein.
Meine Güte, Philip, sagte sie, dies muss das erste Kompliment sein, das du mir ohne Aufforderung gemacht hast. Kommt da noch mehr? Dass ich diese große Wohnung behalten habe, nachdem das Monster sich verzogen hat und Jamie ins Internat gegangen ist, das war die einzige gute finanzielle Entscheidung, die ich je getroffen habe. Im Rückblick muss ich sagen, die Wohnung zu kaufen und zu renovieren war nicht besonders teuer, und heute würde mir der Verkauf ein Vermögen einbringen. Aber das brauche ich nicht. Die Erhaltungskosten kann ich mir immer noch leisten, auch wenn der Fonds und alles andere, was erst mein Vater verwaltet hat und jetzt John, einfach immer weniger geworden ist. Gegen Vater konnte ich nichts machen, aber John hätte ich nie an mein Geld lassen
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