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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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in mein Zimmer, wo sie mich ohne Besinnung fand. Mit ihr kamen der Graf Lestocq und ein Wundarzt, und nachdem sie den Rat der Aerzte gehört, setzte sie sich selbst auf den Rand meines Bettes und befahl, mir sofort zur Ader zu lassen. In dem Augenblick, wo dies geschah, kam ich wieder zu mir und sah mich, als ich die Augen öffnete, in den Armen der Kaiserin, welche mich stützte. Siebenundzwanzig Tage schwebte ich zwischen Leben und Tod, während man mir sechzehnmal zur Ader ließ, und bisweilen viermal an einem Tage. Meine Mutter durfte kaum noch mein Zimmer betreten. Sie widersetzte sich fortwährend gegen diese häufigen Aderlässe und behauptete öffentlich, man wolle mich umbringen. Schließlich aber begann sie sich doch zu überzeugen, daß ich die Pocken nicht bekommen würde. Die Kaiserin hatte die Gräfin Rumianzoff und mehrere andere Damen zu mir geschickt, und es schien, als ob man dem Urteile meiner Mutter mißtraue. Endlich öffnete sich der innerliche Abszeß an meiner rechten Seite durch die Bemühungen des portugiesischen Arztes Sanches. Ich brach ihn aus, und von diesem Augenblick an kehrte mein Bewußtsein vollkommen zurück. Sofort aber bemerkte ich, daß das Benehmen meiner Mutter während meiner Krankheit ihr die Mißbilligung aller zugezogen hatte. Als sie mich sehr krank sah, wollte sie einen lutherischen Pastor zu mir rufen lassen, und man sagte mir später, daß man einen Augenblick, wo ich bei Bewußtsein war, benutzte, mir diesen Vorschlag zu machen, daß ich jedoch antwortete: »Wozu? schickt lieber nach Simon Theodorski; mit diesem will ich gerne sprechen.« Man holte ihn, und er sprach mit mir in Gegenwart der Anwesenden auf eine Weise, die jedermann befriedigte. Dies machte einen sehr guten Eindruck auf die Kaiserin und den ganzen Hof.
    Aber noch ein anderer kleinerer Umstand schadete meiner Mutter sehr. Um Ostern ließ sie mir eines Morgens durch eine Kammerfrau sagen, ich möchte ihr einen blauen, silberdurchwirkten Stoff abtreten, den mir mein Onkel bei meiner Abreise nach Rußland geschenkt hatte, weil ich großen Gefallen daran fand. Ich ließ ihr erwidern, es stehe ganz bei ihr, ihn zu nehmen, obgleich ich ihn sehr liebe, weil ihn mir mein Onkel, als er gesehen, daß er mir gefalle, geschenkt habe. Da nun die Personen meiner Umgebung merkten, daß ich meinen Stoff nur ungern hergab, und bedachten, wie lange ich zwischen Leben und Tod geschwebt, und seit wie wenigen Tagen ich mich erst etwas besser fühlte, besprachen sie unter einander die Unklugheit meiner Mutter, einem sterbenden Kinde das geringste Vergnügen zu mißgönnen, während sie, statt diesen Stoff an sich zu reißen, ihn lieber gar nicht hätte erwähnen sollen. Man erzählte den Vorgang der Kaiserin, die mir auf der Stelle mehrere reiche und prächtige Stoffe schickte, unter andern auch einen blauen silberdurchwirkten. Meiner Mutter jedoch schadete dies bei ihr ungemein, und man beschuldigte sie, weder Zärtlichkeit noch Schonung für mich zu empfinden, während meiner Krankheit hatte ich mich daran gewöhnt, die Augen geschlossen zu halten, so daß man glaubte, ich schliefe; dann sprachen die Gräfin Rumianzoff und die andern Damen unter sich, was sie auf dem Herzen hatten, wodurch ich viele Dinge erfuhr.
    Als es mir ein wenig besser ging, brachte der Großfürst den Abend im Zimmer meiner Mutter zu, welches auch das meinige war. Er und alle andern schienen das größte Interesse an meinem Zustande zu nehmen, und die Kaiserin hatte sogar oft Tränen in den Augen. Endlich, am 21. April 1744, meinem fünfzehnten Geburtstage, war ich imstande, zum ersten Male nach dieser schrecklichen Krankheit in Gesellschaft zu erscheinen.
    Ich glaube, man war über meinen Anblick nicht sehr erbaut. Ich war mager wie ein Skelett geworden, war gewachsen, aber mein Gesicht und meine Züge hatten sich verlängert, die Haare fielen mir aus und ich war totenbleich. Ich selbst fand mich zum Erschrecken häßlich und konnte meine Züge kaum wiedererkennen. Die Kaiserin schickte mir auch deshalb einen Schminktopf und befahl mir, etwas Rot aufzulegen.
    Mit dem Beginne des Frühlings und des schönen Wetters hörte die uns vom Großfürsten bewiesene Teilnahme auf. Er zog es vor, spazieren zu gehen oder in der Umgebung von Moskau zu schießen. Zuweilen jedoch aß er mit uns zu Mittag oder zu Abend und setzte dann seine kindischen Geständnisse gegen mich fort, während seine Umgebung sich mit meiner Mutter unterhielt. Diese empfing sehr viel

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