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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Warum hast du mich denn nicht g’weckt?«
    »Kommt ja gar nicht in Frage. Dann gehst du halt nächsten Sonntag. Viel wichtiger ist doch, dass du dich mal wieder richtig erholst!«
    Sie hatte Recht, das war wichtiger. Auch für sie. Es tat ihm Leid, dass er ihr durch seine seelische Verfassung Kummer bereitet hatte. Aber nun schien das überwunden: So lange hatte er seit Jahren nicht geschlafen.
    Er streckte sich und gähnte zufrieden und erholt.
    »Aber trotzdem: So einen Schmarrn wie ich geträumt hab. Von Vogelaugen und … «
    »Lass gut sein, das will ich gar nicht hören. Sonst krieg ich auch noch Albträume. Iss halt nicht immer so spät, du weißt genau, dass dir das nicht gut tut. Noch dazu die fetten Krautkrapfen«, sagte sie und streichelte dabei über seinen Bauch. Er war sich nicht sicher, ob sie damit nur auf seine Träume oder auch auf sein Gewicht anspielte.
    »Ja ja, schon gut. Wenn’s halt schmeckt.«
    »Das schmeckt am nächsten Tag auch noch.«
    »Apropos schmecken: Gibt’s schon Frühstück?«
    »Natürlich. Und noch eine Überraschung wartet auf dich. Schau mal raus … «
    Er setzte sich auf und blickte nach draußen: Die Tannen in ihrem Garten waren von einer dünnen, weißen Schicht überzuckert. Und von oben schwebten unaufhörlich neue Flocken zur Erde.
    »Endlich!«, seufzte der Kommissar. Es war Mitte November und die letzten Tage schon sehr kalt gewesen. Nur richtig geschneit hatte es noch nicht, auch wenn die weiße Pracht im wahrsten Sinne des Wortes in der Luft lag.
    »Isch des nicht ein Traum?«
    Ungestüm zog er seine Frau an sich und umarmte sie.
    »He, Vorsicht, nicht dass du dich am Morgen schon überanstrengst.«
    »Du, pass auf, sonst … «
    Mit einem Jauchzen sprang Erika aus dem Bett und rannte zur Tür hinaus. Kluftinger fühlte sich wie ein Teenager.
    Er stand auf und ging zum Fenster. Er liebte diesen Anblick. Er war kein Mensch, der die Hitze mochte. Aber er liebte den Schnee. Wenn andere »Winterschlaf « hielten, sich in ihren Häusern verkrochen, dann zog es ihn nach draußen. Er öffnete das Fenster und sog die kalte Luft in seine Lungen. Sie war klar und frisch. Alles wirkte so sauber, so friedlich.
    Dann übersprang sein Herz einen Schlag und seine Knie wurden weich. Bis in den Nacken kroch die Gänsehaut und ließ seine Härchen zu Berge stehen. Er konnte sich nicht rühren, starrte nur auf die Stelle auf dem Fensterbrett.
    Dort lag, umrahmt von glitzernden Eiskristallen, eine große, pechschwarze Feder.
    ***

Erntelied
    Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
    Er mäht das Korn, wenn’s Gott gebot;
    Schon wetzt er die Sense,
    Daß schneidend sie glänze,
    Bald wird er dich schneiden,
    Du mußt es nur leiden;
    Mußt in den Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!
    Was heut noch frisch und blühend steht,
    Wird morgen schon hinweggemäht,
    Ihr edlen Narzissen,
    Ihr süßen Melissen,
    Ihr sehnenden Winden
    Ihr Leid-Hyazinthen,
    Müßt in den Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!
    Viel hunderttausend ohne Zahl,
    Ihrsinket durch der Sense Stahl,
    Weh Rosen, weh Lilien,
    Weh krause Basilien!
    Selbst euch Kaiserkronen
    Wird er nicht verschonen;
    Ihr müßt zum Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!
    Du himmelfarben Ehrenpreis,
    Du Träumer, Mohn, rot, gelb und weiß,
    Aurikeln, Ranunkeln,
    Und Nelken, die funkeln,
    Und Malven und Narden
    Braucht nicht lang zu warten;
    Müßt in den Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!
    Du farbentrunkner Tulpenflor,
    Du tausendschöner Floramor,
    Ihr Blutes-Verwandten,
    Ihr Glut-Amaranthen,
    Ihr Veilchen, ihrstillen,
    Ihr frommen Kamillen,
    Müßt in den Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!
    Du stolzer, blauer Rittersporn,
    Ihr Klapperrosen in dem Korn,
    Ihr Röslein Adonis,
    Ihr Siegel Salomonis,
    Ihr blauen Cyanen,
    Braucht ihn nicht zu mahnen.
    Müßt in den Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!
    Lieb Denkeli, Vergiß mein nicht,
    Er weiß schon, was dein Name spricht,
    Dich seufzerumschwirrte
    Brautkränzende Myrte,
    Selbst euch Immortellen
    Wird alle er fällen!
    Müßt in den Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!
    Des Frühlings Schatz und Waffensaal
    Ihr Kronen, Zepter ohne Zahl,
    Ihr Schwerter und Pfeile,
    Ihr Speere und Keile,
    Ihr Helme und Fahnen
    Unzähliger Ahnen,
    Müßt in den Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!
    Des Maies Brautschmuck auf der Au,
    Ihr Kränzlein reich von Perlentau,
    Ihr Herzen umschlungen,
    Ihr

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