Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
schmutzigen Hügel hinauf, ein letztes Anrennen gegen die
englischen Schilde. Und wenn es erledigt ist – dann, das verspreche ich euch, könnt ihr schlafen bis in alle Ewigkeit.«
    Niemandem entging die Doppeldeutigkeit dieser Worte. Aber William hatte sie gepackt. Mit seiner eisernen Frömmigkeit und seinem starken rechten Arm war er ein Destillat seiner Zeit, dachte Orm, ein Krieger-Christ ohne jeglichen inneren Zweifel. Er war viel dümmer als Harold, aber sein Wille war stärker, und vielleicht würde ihm das zum Sieg verhelfen.
    »Alles oder nichts«, sagte Robert zu Orm. »All diese Jahre, in denen er gekämpft und überlebt, Ränke geschmiedet, politische Entscheidungen getroffen und Krieg geführt hat, ein Leben lang – für William mündet das alles in diesen einen letzten Angriff. Er ist ein Rohling, aber bei Gott, ein prachtvoller Rohling.«
    William wirbelte auf seinem bockenden Pferd herum und reckte den Knüppel in die Luft. »Folgt mir!«
    Orm zögerte nicht. Er stieß einen lauten Schrei aus, packte seinen ramponierten Schild und sein Schwert und rannte bei dem Sturmangriff in der Vorhut den Hügel hinauf.
    Der Boden war jetzt sogar noch schwieriger als am Morgen, denn er war von Tausenden von Füßen und Hufen aufgewühlt und übersät von den Leichen von Männern und Pferden, eine Leiche pro Schritt, so schien es ihm. Aber er lief weiter. Erneut ließen die Engländer Steine und Pfeile auf sie herabhageln, aber Orm ignorierte den tödlichen Regen. Dann stieß er auf einen Haufen toter Pferde, die von den Engländern
den Hügel hinabgerollt worden waren, bis sie sich zu einer primitiven Barrikade aufgehäuft hatten, und er musste über zerrissenes Fleisch, stinkendes Fell und ins Violette spielende Gedärme klettern. Aber er lief weiter, verbrauchte den letzten Rest seiner Energie, denn es war das letzte Mal, dass er dies tun musste, komme, was wolle, Leben oder Tod.
    Jetzt war er nahe genug, um die Gesichter der Engländer zu erkennen. Alles oder nichts. Mit lautem Gebrüll griff er an.
    Die Schildwälle prallten zum letzten Mal in Englands langer, blutiger Geschichte aufeinander. Wie auch immer die Menschen in der Zukunft sterben würden, so jedenfalls nicht.
    Orms Schild krachte gegen das eines Engländers, eines kräftigen, blutbesudelten Riesen, aber er war jenes entscheidende Quäntchen langsamer als Orm, und es gelang dem Söldner, sein Schwert zu heben und es dem Engländer ins Gesicht zu stoßen. Sein Schädel brach ein wie ein Ei, und zurück blieb eine Höhle, in der Blut blubberte – doch schon kippte er rücklings um und war fort. Und ein anderer kam und nahm seinen Platz ein. Der neue Mann hob mit beiden Händen eine Axt, aber Orm gelang es, seinen Schildarm zu heben, und der mächtige Hieb wurde vom Schildknauf abgelenkt, zertrümmerte jedoch das Holz. Orm schleuderte den ruinierten Schild auf seinen Gegner, und als der Mann zurückzuckte, um auszuweichen, trieb Orm ihm das Heft seines Schwertes in den Mund, spürte, wie Zähne und weiches Gewebe nachgaben, zog das
Schwert zurück und hieb und schnitt, bis ein weiteres zerstörtes Gesicht von einem weiteren leblosen Leichnam zu ihm aufschaute. Nun hatte Orm keinen Schild mehr. Ohne nachzudenken, langte er nach unten und schnappte sich ein heruntergefallenes Schwert – englisch oder normannisch, er wusste es nicht. Mit dem Schwert des Fremden in der linken Hand, seinem eigenen Schwert in der rechten, kämpfte er weiter, nahm ein Schwert als Schild und schlug mit dem anderen zu, und vor ihm fiel ein Engländer nach dem anderen. Er hatte Männer schon so kämpfen sehen, hatte es jedoch noch nie selbst versucht. Ihm blieb keine Wahl.
    Er kämpfte und kämpfte.
    Wurden die Engländer endlich schwächer? Sie wirkten noch abgespannter und erschöpfter als die Normannen. Und der unablässige Hagel normannischer Pfeile lenkte sie ab.
    Dann erhob sich ein großes Stöhnen. Orm, der immer noch kämpfte, sah, dass Harolds Standarte, der Goldene Krieger, unmittelbar vor ihm umfiel. Er brüllte auf und kämpfte härter denn je. Seine beiden Schwerter blitzten.
    Und die Engländer begannen zurückzuweichen.

XXVII
    »Nein!«, schrie Sihtric und rannte zu der umgefallenen Standarte.
    Godgifu eilte ihrem Bruder nach, schob sich durch die Reihen der Huscarls und Prälaten.
    Der König lag auf dem Boden, den Kopf auf den Armen eines Bischofs. Ein Pfeil ragte aus seinem eingefallenen Gesicht. Es wurde allmählich dunkel, und sie konnte nicht

Weitere Kostenlose Bücher