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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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ein kleines Cottage. »Ist das dein Häuschen?«
    Er nickte. »Im Winter fahre ich nicht oft hm. Ich halte die Kälte und die Verlassenheit dort nicht aus.«
    »Es sieht hübsch aus. Aber irgendwie überlaufen.« Sie sah ihn spitzbübisch an. »Ich brauche Abgeschiedenheit. Vergiß nicht, daß ich ein Buch schreibe.«
    »Was sonst?« Mit einer ausladenden Armbewegung stand Bill auf. »Wenn ich‘s schaffe, eine Mieterin für Roger und Diana zu finden, die gutes, hartes Geld für das Privileg bezahlen kann, in deren gottverlassenem Cottage zu wohnen, wo man sich œ ich meine natürlich nicht dich œ die Eier abfriert, dann bringt mir das jede Menge Brownie-Punkte bei ihnen ein, und sie sind ewig in meiner Schuld. Gib mir ein paar Tage, um sie anzurufen und ihnen deinen Scheck zu schicken, und ich garantiere dir, daß sie dich œ vorausgesetzt, daß er nicht platzt œ mit offenen Armen empfangen.«
    Sie stand auf. »Erzähl Jon bitte nicht, wo ich bin, Bill œ falls er sich dafür auch nur entfernt interessieren sollte«, sagte sie beim Gehen. »Zumindest vorläufig will ich den völligen Bruch. Zu meinen Bedingungen.«
    »Biest.« Er sagte es mit großer Zuneigung.
    »Nun, warum nicht. Er hat mir das alles eingebrockt.« Sie war überrascht, daß sie keinen Ärger empfand.
    »Dieser blöde Arsch.« Bill grinste liebenswürdig. »Ich sag‘ dir was. Ich fahre am Wochenende mit dir hin. Es kann nicht schaden, wenn mein Häuschen ein bißchen auslüftet. Dann kannst du mich Sonntag abend am Bahnhof absetzen, und ich überlasse dich dem Ostwind und fahre zurück nach London, um für mein leibliches Wohl zu sorgen.«
    Es ging schnell, ihre Sachen aus Jons Wohnung zu holen. Es schien nicht viel zu sein œ außer ihren Büchern natürlich.
    Überdies hatten sie alles freundschaftlich geregelt, ganz wie sie sich das vorgenommen hatte. Erwachsen und geschäftsmäßig hatten sie sich verhalten, und völlig ruhig beim Entflechten ihrer Angelegenheiten œ eine Scheidung ohne die Komplikationen einer Ehe. Jon war mit einem kühlen Kuß auf die Wange nach New York abgereist, einige Tage früher als geplant. Er fragte nicht, was sie vorhatte; und über das Geld hatten sie nicht gesprochen.
    Ein halbes Dutzend Kisten wurde im rückwärtigen Teil ihres Autos verstaut, ein Karton mit Pflanzen, sorgfältig gegen den kalten Wind geschützt, und ein Arm voll überflüssiger Kleider. Das war alles, was von ihrem Leben in London blieb. Sie schaffte alles auf den Dachboden von Bills Haus in Hampstead. Es sollte eingelagert werden, bis auf die Pflanzen natürlich, die er verhätscheln und umhegen würde, weit weg vom Wind in East Anglia. Es blieben ihr Laptop und ihr Drucker, ihre Bücher, ihre Kästen mit Karteikarten und Notizen und ein paar Koffer mit Jeans, dicken Pullovern und Gummistiefeln. Erst, als sie alles in ihren kleinen Peugeot gepackt und sich ein letztes Mal in der Wohnung umgeschaut hatte, drohte sie der kleine, tückische Klumpen in ihrer Kehle zu ersticken. Sie schluckte ihn hinunter, ohne eine Miene zu verziehen.
    Das war der Anfang vom Rest ihres Lebens. Sie schlug die Eingangstür hinter sich zu, schob die Schlüssel durch den Briefschlitz und hörte, wie sie auf der anderen Seite der Tür mit einer dumpfen Endgültigkeit auf dem Teppich landeten, die genau zu ihrer Stimmung paßte. Sie hatte sich nicht danach erkundigt, wie sich Cyrus Grandini Zutritt zur Wohnung verschaffen würde, und Jon hatte es ihr auch nicht gesagt. Sie klappte rasch ihren Jackenkragen hoch und rannte die Stufen hinunter zu ihrem Auto. Sie würde Bill auf ihrem Weg quer durch London im Funkhaus abholen, und dann würden sie zusammen nach Nordosten fahren.

III
    Die Flut kroch höher, unwiderstehlich angezogen vom Vollmond, der sich hinter dreitausend Meter hoch aufragenden Kumuluswolken verlor. Aufgeweicht vom Schneeregen im eiskalten Wind, wurde der Sand weich und nachgiebig unter den forschenden Fingern aus Wasser. Das Kieselufer lag verlassen da, einsam in der Dunkelheit. Als das Wasser still an den Steinen leckte und sie behutsam erforschte, brach ein Sandstück aus dem dahinter liegenden Wall und versank in der Schwärze des Meeres. Dahinter bildete sich ein weiterer Spalt. Verfilztes Gras riß und zerrte, ein Netz aus feinen Wurzeln zog, krallte sich fest, griff ineinander. Binsen fauchten im Wind, Sandkörner, von einem Windstoß in die Luft geworfen, wirbelten gen Osten. Wind und Flut waren nun eines Sinnes, und unaufhaltsam kroch das

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