Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
Vom Netzwerk:
seine Augen voller Tränen. Er konnte nicht mehr länger dagegen ankämpfen. Marcus und Kate. Er wurde mit den beiden nicht fertig. Er taumelte hinter ihr her. »Du darfst nicht gehen«, rief er. »Ich lasse dich nicht. Dies hier wurde geschickt, damit du hierbleibst -«
    Jon wirbelte herum. Er ließ Kates Arm los. Seine brodelnde Wut ließ sich nicht länger zurückhalten. »Das reicht jetzt, Greg! Du hast Kate gehört. Sie geht. Du bedeutest ihr nichts.« Wütend riß er dem anderen Mann den Halsreif aus den Händen. »Der hat nun wirklich genug Ärger gebracht. Jetzt geht er dahin zurück, wo er hingehört.« Er hob den Arm und schleuderte den Halsreif in die Luft. Als er ins wogende Grau des Wassers fiel, spürte er, wie eine unkontrollierte Wut durch ihn rauschte.
    In panischer Angst versuchte er, sie zu beherrschen.
    Bösartige, rasende Wut. Blind. Ekstatisch.
    Er rang verzweifelt mit ihr, taumelte vom Rand des Meeres zurück, hielt seinen Kopf umklammert, hörte nichts außer dem Tosen der Wellen. Er sah nicht Kates Entsetzen, als der nach Moschus duftende Sandwirbel sich auf sie legte.
    »Jon!« Er hörte ihre Stimme, als sei sie weit entfernt; sie war voller Angst; dann ein lauter Schrei. »Greg! Tu etwas! Marcus hat ihn in seiner Gewalt! Hilf ihm! Greg, hilf ihm! Hilf mir!«
    »Nein, nicht Marcus.« Greg lachte plötzlich. »Marcus ist hier. In mir. Er ist von Nion besessen.« Der Name war ihm so leicht über die Lippen gekommen œ der Name, den seine Frau in die Morgendämmerung des Beltane, dem Maifeiertag der alten Kelten, geschrien hatte. Nion, der Druide.
    Die Stimmen wurden leiser, das Tosen des Meeres lauter. Plötzlich bekam Greg Angst. Marcus war da; Marcus war in ihm. Er drehte sich um und rannte auf das Wasser zu. Er spürte die eiskalten Wellen an seinen Fußknöcheln, sie nahmen ihm allen Schmerz. Der Kälteschock machte ihn benommen.
    Kämpfen. Er mußte kämpfen. Das Wasser war jetzt tiefer, reichte ihm bis zu den Knien. Kalt. Schneidend. Mächtig.
    Bekämpfe ihn. Bekämpfe den Römer. Kämpfe oder stirb.
    Wo war Roger? Dad, hilf mir! Hilf mir, gegen ihn zu kämpfen. Er hatte es versprochen. Dad, bitte! Seine Stimme hob sich vor Schmerz und Angst und Wut.
    Eine Welle schlug gegen seine Taille, der Schock ließ ihn innehalten.
    Er drehte sich um und sah zurück zum Strand.
    Kämpfe. Auch Jon kämpfte. Die Schlacht in seinem Kopf war ohrenbetäubend.
    Rezitiere. Beschäftige deinen Kopf mit etwas anderem. Das war es, was Anne gesagt hatte. Gib ihm nichts, womit er dich packen kann. Rezitiere…
     
    Nion will Rache.
    Marcus ist bezwungen.
    Nion ließ seine hungrigen, wütenden Augen umherwandern,
    um nach dem Römer zu suchen, der schuld an seinem Tod war…
    Kämpfen. Die Wut in seinem Kopf bekämpfen.
     
    Rezitiere.
    Byron. Sie wußte es nicht, aber ihr zuliebe hatte er Gedichte von Byron auswendig gelernt. »Wir spüren, wo wir geh‘n, den kalten Hauch…« Erinnere dich. Gib den Gedanken Nahrung. »Und diesem Hauch macht nur der Tod ein Ende.« War das auch Byron? Egal.
    Jon stolperte weg vom Meer, seine Hände schlugen wie Krallen in seine Schläfen. Wo war sie? Wo war Claudia? Seine Geliebte. Er schüttelte den Kopf. Kate. Wo war Kate -? Es war niemand da. Sie waren fort. Nion wurde stärker. Marcus? Wo war Marcus? Nion mußte Marcus für immer los werden.
    Rezitiere. Es ist die einzige Möglichkeit. Vergiß den Druiden. Laß ihn nicht herein. Er darf nicht gewinnen.
     
    Schluchzend ging er auf dem nassen Sand in die Knie.
    Sie geht verzaubert durch die Nacht, In ihren Augen Sternenlicht;
    Die klare wolkenlose Pracht Verhüllt als Schleier ihr Gesicht. Sie geht verzaubert durch die Nacht…
     
    Er wiederholte die Worte immer und immer wieder, bis er keine Kraft mehr hatte und ihm die Stimme schwand.
    Marcus konnte sie jetzt deutlich sehen, durch die Augen des Mannes, Gregs Augen. Sie waren da, in seiner Nähe, sie streckten die Hände nacheinander aus.
    Nion und Claudia.
    Jon und Kate.
    Greg stöhnte, als ihm das kalte Wasser um die Schenkel schlug. Etwas war mit seinen Augen. Alles war verschwommen.
    Jon und Kate.
    Nion und Claudia.
    Langsam begann er zu verstehen. Marcus nährte sich von Haß und Eifersucht. Ihre Kraft, ihre Liebe, das waren die Waffen, die er brauchte. Mit geballten Fäusten machte er einen Schritt auf den Sand zu. Dann noch einen.
    Kämpfen.
    Das fremde Wesen in seinem Kopf bekämpfen.
    Ihn mit Liebe bekämpfen. Liebe, die Raum und Zeit überdauert.
    Nion und

Weitere Kostenlose Bücher