Erst ich ein Stück, dann du - Hexengeschichten
Klapptür und sah, wie der Käse auf der Pizza Blasen warf. Hmmm - wie das duftete! Florina hatte schrecklichen Hunger. Obwohl Simon verschwunden war. Musste sie deswegen ein schlechtes Gewissen haben? - Nein! Schließlich war es nicht ihre Schuld. Und wenn doch, würde sie ihren Bruder eben einfach wieder herzaubern. Irgendwann heute Abend, wenn es ihr in den Kram passte. Und dann musste er ihr versprechen, sie nie wieder zu ärgern. Jawohl!
Florina nahm die dicken Topflappenhandschuhe vom Haken, schlüpfte hinein und öffnete die Backofenklappe. Sie zog das Blech mit der Pizza heraus und platzierte es auf dem Ceranfeld. Dann holte sie den Pizzaroller aus der Schublade und schnitt ein Stück mit extra viel Salami und Käse ab.
Sie legte es auf einen Teller,
füllte gelbe Limo in ein Glas
und trug alles ins Wohnzimmer.
Florina schaltete den Fernseher ein,
biss genüsslich in die Pizza
und schlürfte die Limo aus.
Es dauerte über eine Stunde, bis Herr Lorenz wieder nach Hause kam. Inzwischen hatte Florina das Blech in den Ofen zurückgeschoben, das schmutzige Geschirr abgespült, sich die Zähne geputzt und den Schlafanzug angezogen.
„Er war nicht am Kiosk“, sagte ihr Vater. „Und auch sonst nirgendwo.“Er sah schrecklich blass aus mit fahlen Lippen und roten Augen, als hätte er geweint. „Simon kommt bestimmt bald zurück“, sagte Florina. Ihre Stimme war ganz krächzig und sie zitterte ein bisschen.
Ihr Vater schüttelte den Kopf. „Wenn ich bloß wüsste, was passiert ist“, murmelte er. „Bald kommt Mama aus dem Büro heim. Ich weiß gar nicht, wie ich ihr das beibringen soll.“
„Aber du bist doch nicht schuld“, presste Florina hervor. In ihrem Hals steckte ein harter Klumpen, so als ob sie einen dicken Gummiball verschluckt hätte.
„Vielleicht ja doch“, erwiderte Herr Lorenz. „Vielleicht habe ich etwas gesagt oder getan, das Simon verletzt oder geärgert hat.“Er zuckte mit den Schultern. „Unabsichtlich natürlich.“„Gehst du jetzt zur Polizei?“, fragte Florina beklommen.
Ihr Vater schüttelte den Kopf. „Ich rufe erst mal alle seine Schulkameraden an und die Jungs aus dem Hockeyverein. Und wenn ich in einer Stunde immer noch nichts Genaueres weiß, gehe ich zur Polizei.“
Florina nickte.
Sie schlang Papa einen Arm um den Hals
und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Hast du eigentlich Hunger?“, fragte er.
Florina schüttelte den Kopf.
„Ich hab mir
ein Stück von der Pizza genommen.“
Herr Lorenz küsste sie ebenfalls. „Du bist ein großes, tapferes Mädchen“, sagte er und seine Stimme klang ein bisschen flatterig. „Und du ein großer, tapferer Papa“, sagte Florina.
Sie musste jetzt schnell in ihr Zimmer gehen, weil sie
sein bekümmertes Gesicht nicht mehr sehen und seine flatterige Stimme nicht mehr hören wollte. Der Gummiball in ihrem Hals drückte immer doller, Florina wurde schon ganz schlecht davon.
Sie musste jetzt schnell ein Bild malen.
Ein Bild mit einem fröhlichen Simon,
einer lustigen Mama
und einem glücklichen Papa.
Und ganz vorne stand sie selbst
und hielt einen Zauberstab in der Hand.
Florina ließ ihren Blick über den Schreibtisch gleiten. Der Zeichenblock, das Bild mit dem zerlaufenen Auge und der ertrunkenen Katze und der Kasten mit den Malkreiden lagen noch dort. Bloß der Zauberstab, der war verschwunden. Vielleicht sollte sie sich einfach einen neuen malen.
Entschlossen trennte Florina das zerlaufene Bild ab, knüllte es zusammen und warf es in den Papierkorb. Dabei fiel ihr Blick unter den Tisch und - na so was! Da lag er ja, der Zauberstab! Er musste heruntergekullert sein.
Florina hob ihn auf und betrachtete ihn genau.
Er war lang und dünn
und fast schneeweiß.
Florina drehte ihn hin und her.
In seinem Inneren flimmerte es
hellblau bis pinktürkis
und auch ein bisschen golden.
„Hex, hex“, murmelte Florina und malte mit dem Zauberstab ein magisches Zeichen in die Luft. „Verflixt, verhext und aufgetaucht!“
Sie ließ den Stab sinken und lauschte. Hatte da nicht gerade die Türglocke geläutet? Irrte sie sich, oder war das tatsächlich Simons Lachen, das aus der Diele in ihr Zimmer drang?
Mit einem Satz war Florina an der Tür.
Schwupps!, hatte sie sie aufgerissen.
In der Diele stand Mama und lachte.
Ja klar, ihr Lachen hatte schon immer ein bisschen wie das von Simon geklungen. Florina ließ die Schultern hängen. Traurig sah sie ihre Mutter
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